Die Reifeprüfung.

Sie war Witwe geworden, lange bevor sie Großmutter wurde, und heute fragt sie sich, ob die Witwe und die Großmutter wohl die Frau in ihr vertrieben haben. Sie schaut einmal pro Monat Die Reifeprüfung, obwohl sie den Film gar nicht sonderlich mag. Ihre Tochter versichert ihr manchmal, sie sehe gut aus für ihr Alter, und … Weiterlesen Die Reifeprüfung.

Bruchteile.

Die Finger stolpern zunächst zaghaft über die nackte Haut, beinahe schüchtern, als wäre da eine Gefahr, der sie sich zu erwehren hätten. Sie gleiten vorsichtig über den Hals und die Schulterknochen, suchen sich dann Wege zwischen den Brüsten hindurch zum Bauch, zu den Hüften, zum Schoss. Allmählich werden sie bestimmter, die Bewegungen drängender. Sich zu … Weiterlesen Bruchteile.

Negerschlampe.

Er ist noch ziemlich jung, als er zum ersten Mal daran denkt, mit einer schwarzen Frau Sex zu haben. Vielleicht ist es ein Erotikfilm, vielleicht ein Pornoheft; als er zum ersten Mal eine nackte schwarze Frau erblickt, verankert sich dieses Verlangen in ihm. Grundsätzlich mag er Schwarze nicht. Er nennt sie Neger und wischt jegliche … Weiterlesen Negerschlampe.

Die Antwort.

Er war zärtlicher als andere, weniger egoistisch, das war angenehm, und obschon es nicht sonderlich ungestüm oder ekstatisch war, hatte sie einen Orgasmus, den ersten seit geraumer Zeit. Jetzt liegt er neben ihr und schaut sie an. Sie weicht seinem Blick aus. Das kann sie gut. Woher kommt die Traurigkeit in deinen Augen? Seine Frage … Weiterlesen Die Antwort.

Die Haut wirft Falten.

Wenn er nackt im kalten Badezimmer steht und seinem Körper entlang nach unten blickt, sieht er den Penis eines alten Mannes. Er nimmt ihn zwischen die Finger, dreht und wendet ihn lustlos. Er fühlt sich klein und fremd an, ein absonderliches Ding, die Haut wirft Falten, aber das tut sie am gesamten Körper. Das Hautkleid … Weiterlesen Die Haut wirft Falten.

In ihrer Haut.

Die ersten Konturen schälen sich aus der Nacht. Kühles Licht in Grau und Grün tastet sich in den Raum. Marina hat erneut in ihren Kleidern geschlafen. In ihrem Hals steckt ein Stück Jutestoff, zumindest fühlt es sich so an. Das Schlucken fällt schwer, der Kopf schmerzt, da ist ein merkwürdiges Dröhnen und Fiepen. Aber Marina … Weiterlesen In ihrer Haut.

Richtung.

Sie liegt auf ihrem Rücken und auf ihm, er liegt unter ihr und auf dem Bett. Ihre Augen sind geschlossen, es wäre sowieso zu dunkel, um etwas zu erkennen, und dennoch blicken sie in die gleiche Richtung. Seine Hände gleiten über ihren Körper, energisch und forsch, eine ungewohnte Vehemenz, die von Lust und Verlangen erzählt … Weiterlesen Richtung.

Nivellierung.

Eigentlich warst du ja nur zum Ficken gut, sagte er. Blies den Rauch seiner Zigarette in den Raum, lächelte sein arrogantestes Lächeln, schaute auf die Uhr und ging. Sie blieb zurück, allein in ihrer kleinen Wohnung, während um sie herum die Dämme brachen und die Säulen kollabierten. Dann zogen die Wolken auf. Sie strauchelte und … Weiterlesen Nivellierung.

Zwei streifen sich.

Eigentlich ist er ja nichts anderes als ein Gegenstand, sagt sie und meint ihren Körper. Ein Ding, ein Gefäß, in dem ein Mensch steckt. Und in diesem Gefäß stecke nun mal ich. Er ist ein Instrument, wie ein Cello. Ja, mein Körper ist mein Cello. Und ich spiele damit. Sie hakt ihren BH auf, lässt … Weiterlesen Zwei streifen sich.

Eine Besucherin.

Eva hört ein leises Knacken, dann den Schlüssel im Schloss. Eine Sekunde lang bleibt alles stumm, und in diesem Moment breitet sich die Gewissheit im Raum aus, legt sich wie ein schweres Tuch auf ihren Körper. Sie ist ertappt, wurde erwischt. Als sie glaubt, das Knarren der Wohnungstür zu vernehmen, richtet sie sich ruckartig auf. … Weiterlesen Eine Besucherin.

Zwei Körper sind.

Zwei Körper sind gläsern, hart und weich zugleich, wie fragile Gebilde, die nach Sorgfalt verlangen und dennoch unzerstörbar scheinen. Jede Berührung ist eine Bekundung, jede Bewegung ist mit Aussage aufgeladen, jeder Kuss löst die Zeit aus dem Kontinuum. Zwei Körper sind Instrumente, das schwere Atmen drängt alle anderen Geräusche aus der Wahrnehmbarkeit und verbleibt als … Weiterlesen Zwei Körper sind.

Kausalphabet.

A. beschließt drei Tage nach seinem einundachtzigsten Geburtstag, endlich schwimmen zu lernen. B. geht in das Unternehmen, in welchem er fünfzehn Jahre gearbeitet hatte, und will möglichst viele Mitarbeitende töten, schießt aber am Ende nur sich selbst in den Kopf. C. sitzt schluchzend auf dem Bett, die Hundeleine in der Hand. D. rettet einen kleinen … Weiterlesen Kausalphabet.

Die Träne im Ohr.

Der Nachhall treibt noch in der trägen Luft, das Pochen im Kopf verliert nur langsam an Intensität. Eine Träne ist wie flüssiger Honig über ihre Schläfe geschlichen, bis hin zu ihrem Ohr und hinein in den Gehörgang, ein einzelner Tropfen nur. Es fühlt sich seltsam an, störend und unangenehm, doch Lara bleibt reglos. Irgendwann wird … Weiterlesen Die Träne im Ohr.

Sie sehen alles.

Sie sind hunderttausend Jahre alt und neu geboren, immer wieder. Sie liegt auf ihm, ihr Rücken auf seinem Bauch, sie formen eine Einheit, und wie seine Hände über ihre Haut gleiten, drängend, verlangend, so berührt er auch sich selbst, in ihr. Es ist vollkommen dunkel, doch sie sehen alles, sie malen Bilder mit ihren Fingern … Weiterlesen Sie sehen alles.

Kopfscheiße und Danny DeVito.

Wenn die Sonne strahlte, es angenehm warm war, ein schwacher Wind Sommerdüfte durch den Tag schob und die ganze Welt ein pittoresker Haufen voller Harmonie, Pracht und Herrlichkeit zu sein schien, fand Felix die Gesamtsituation noch ekliger als sonst. Schon aus dramaturgischer Sicht war schönes Wetter enorm unpassend. Er hatte Probleme. Kopfscheiße, irgendwie. Er mochte … Weiterlesen Kopfscheiße und Danny DeVito.

Im Innern, im Erinnern.

Vor den Fenstern ein lautes Krachen. Sie zuckt zusammen, doch die Augen bleiben geschlossen. Vielleicht ein Unfall, vielleicht eine Explosion. Vielleicht der Krieg, vielleicht die Apokalypse. Es ist ihr egal. Es ist weit weg. Es ist draußen. Sie ist im Innern, im Erinnern. Das krachende Geräusch verhallt, versickert in der Ferne, die unmittelbar nach den … Weiterlesen Im Innern, im Erinnern.

Chiaroscuro.

Da ist dieses Bild, wenn er die Augen schließt, ein Bild von ihr, ein Bild, das keine Flächen kennt, ein Bild mit mehr als zwei Dimensionen, da ist nicht nur Chiaroscuro, da ist mehr als nur die starke Kontrastierung von Hell und Dunkel, da ist die plastische Wirkung eines Bildes, er schließt die Augen und … Weiterlesen Chiaroscuro.

Nicht bei Bewusstsein.

Der Kopf verliert sein Gewicht, verliert seine Masse, ein hohles Konstrukt ohne Druck und Ballast, die Ströme erstarren, die Zeit, sie bleibt stehen, und die Zeit, sie läuft weiter, sie treibt auseinander und reißt kleine Spalten ins Gefüge, schmale Ritzen, in denen alles verschwindet, wie Staub zwischen Dielen, und das gesamte Bewusstsein, über welches wir … Weiterlesen Nicht bei Bewusstsein.

Einsturzgefahr.

Während die Linien sich allmählich wieder ordnen und die Konturen zurückkehren, während der Sturm sich legt und die Schwerkraft wieder wirkt, kaut sie auf ihrer Unterlippe, beißt ein wenig zu heftig in ihr Fleisch und schmeckt alsbald das Blut, ihr Blut, bittersüß und metallisch, nur ein Tropfen vielleicht, der sich vermischt mit dem salzigen Geschmack … Weiterlesen Einsturzgefahr.