Eigentlich ist er ja nichts anderes als ein Gegenstand, sagt sie und meint ihren Körper. Ein Ding, ein Gefäß, in dem ein Mensch steckt. Und in diesem Gefäß stecke nun mal ich. Er ist ein Instrument, wie ein Cello. Ja, mein Körper ist mein Cello. Und ich spiele damit. Sie hakt ihren BH auf, lässt ihn zu Boden gleiten, legt sich hin und schließt die Augen.
Später fragt er, wann sie sich für diesen Weg entschieden hat, und fügt an, dass es wohl kaum ein Kindheitstraum gewesen sein dürfte. Sie quittiert seinen dummen Witz mit einem bitteren Lächeln, zündet sich eine Zigarette an, zuckt mit den Schultern und senkt den Blick. Entschieden habe ich mich wohl nie, erklärt sie. Es hat sich einfach irgendwie ergeben.
Auf seine Frage, ob sie bereits einmal verliebt gewesen sei, reagiert sie ein wenig irritiert und fragt zurück, ob er bereits einmal verliebt gewesen sei. Er bejaht nach kurzem Zögern, und sie nickt. Natürlich. Menschen verlieben sich. Die meisten tun es von Zeit zu Zeit, manche nur einmal im Leben, andere jeden Tag aufs Neue. Warum sollte es bei mir denn anders sein? Er will etwas entgegnen, doch seine Argumente verkümmern im Ansatz, und er schluckt sie hinunter.
Während er seine Schuhe schnürt und sie beobachtet, wie sie im kleinen Badezimmer steht und sich wäscht, fragt er mit bemühter Beiläufigkeit, ob sie sich vorstellen könnte, ihr Dasein komplett zu ändern und umzukrempeln, wenn sie jemanden kennenlernen würde. Den Mann fürs Leben halt, verstehst du? Sie verharrt vor dem Spiegel, atmet hörbar aus. Dann kommt sie zurück ins Zimmer. Ja, ich kann es mir vorstellen, sagt sie leise. Es gibt auch jemanden. Vielleicht. Aber es ist kein Mann. Und nicht fürs Leben.
Er steht auf, räuspert sich unbeholfen, ringt nach Worten. Sie tritt zu ihm hin, schiebt ihr Gesicht ganz nah an seines. Ungewohnt sanft küsst sie ihn auf die Wange. Sie legt ihre Hand an seinen Oberarm, blickt zur Wanduhr und dann zur Tür. Er starrt reglos an die leere Wand hinter ihr. Schließlich nickt er, ganz langsam, als bereite ihm die Bewegung heftige Schmerzen, und verlässt das Zimmer.

Sehr gut und bewegend geschrieben. Und was für ein schönes Mädchen. Es macht einen traurig und nachdenkbar. Ich habe heute genau über das gleiche Thema nachgedacht (Kindheitstraum fällt bei mir auch). Eine ganz andere Art zu schreiben, aber ein ähnlicher Sachverhalt. Wir sehen mit anderen Augen auf dasselbe Geschehen. Würde mich freuen, wenn du meinen Artikel kommentierst! -Nele
https://lauterkopf.wordpress.com/2015/04/28/wenn-ich-mal-gross-bin-werde-ich-nutte/
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Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Gedanken. Werde mir deinen Blick auf das Geschehen gerne mal anschauen… Liebe Grüsse…
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Ohh, ist das schön!!!
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Danke!!!
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…ein feiner, kleiner verbaler Streifzug, lieber Disputnik…
Ja, ein Kommen und Gehen ist es immer, in Sachen Liebe…
Und die gradweise Abstufungen sind immens!
Liebe Morgengrüße
vom Finbar
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Vielen herzlichen Dank, lieber Finbar, fürs Vorbeistreifen und Lesen und für deine Gedanken…
Beste Grüsse zurück!
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Der Titel ist gut, er passt.
Beide gehen ein klein wenig aus sich heraus, es ist nicht viel, aber manchmal braucht es ja nicht viel, daß der/die andere erkennt, da sind Gedanken im Anderen, die sind ernst und teilnehmend gemeint und die Fassade weicht ein wenig, nur ein kleines bißchen.
Und ein leichtes Bedauern liegt am Ende in seiner Haltung…
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Das leichte Bedauern liegt am Ende wohl überall in den Winkeln des Raumes… Und ja, sie nähern sich einander ein wenig, als sie sich streifen, und das ist doch was wert… Herzlichen Dank für deine Gedanken, liebe Bruni, und schöne Grüsse…
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Wunderbar wieder, das ist so Klasse!
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Wunderbar, das freut mich, vielen Dank fürs Lesen…
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Hat dies auf poemcollision rebloggt und kommentierte:
super Text -lesen lohnt sich!
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Vielen lieben Dank!
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Stimmt genau!
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