Der Mauerbau.

Eines Tages blickt Eva sich um, betrachtet die Schatten der Bäume an den Häuserwänden, lauscht den vereinzelten Rufen eines Bussards und dem leisen Rauschen der nahen Autobahn. Sie kratzt sich an der Schläfe und wischt mit dem Handrücken über ihren Mund. Dann beginnt Eva damit, eine Mauer zu bauen. Sie baut sie hoch, sie baut … Weiterlesen Der Mauerbau.

Entfernt.

Bis zum nächsten Mal, hat man gesagt, bis bald, bis irgendwann, doch irgendwann kam nie, das nächste Mal, es blieb aus, und nun entfällt es endgültig. Man hätte Gelegenheiten gehabt, hätte sie nur ergreifen müssen, doch keiner von beiden regte oder bewegte sich, und einer von beiden kann es nun nicht mehr. Man nannte sich … Weiterlesen Entfernt.

Bellavista.

«Die Toilettenspülung ist wieder im Eimer.» «Im Herren-WC?» «Ja.» «Blödes Ding.» «Machst du es selbst?» «Ja, kein Problem.» «Vielleicht sollte sich mal ein Fachmann darum kümmern.» «Ich sagte doch: Kein Problem.» «Okay.» Elena wendet sich ab, geht hinaus auf die Terrasse und zündet sich eine Zigarette an. Ihr Blick erfasst einen Mäusebussard, der über den … Weiterlesen Bellavista.

Auf Grund.

Er hat einen ziemlich ungewohnten Nachnamen, doch sie bemüht sich gar nicht erst, sich die komplizierte Schreibweise einzuprägen. In absehbarer Zeit wird er nicht mehr dort liegen, wo er jetzt liegt, neben ihr im Bett. Sie wundert sich, dass sie manchmal neben ihm – oder neben anderen – einschläft, ganz nahe am anderen Körper, vielleicht … Weiterlesen Auf Grund.

Aus dem Bild.

Sie geht mit stummen Schritten über Wiesen, gleitet schweigend durch Wälder, atmet Natur und Reinheit ein. Sie registriert, wie der Lärm allmählich verebbt, sie hört das Rauschen des Blutes im Ohr. Sie berührt ihr Gesicht, berührt den gesamten Körper, spürt die Wärme ihrer Haut. Sie zieht ihre Schuhe aus, streift störende Kleidung ab. Irgendwann stellt … Weiterlesen Aus dem Bild.

Stechen.

Wenigstens friert sie nicht. Immerhin. Sie zittert nicht, die Haut wirft keine Beulen. Ihr ist auch nicht zu heiß, da ist kein kalter Schweiß, auch kein warmer. Überhaupt spürt sie sehr wenig, selbst heftige Winde weichen ihr aus, Regentropfen ändern kurz vor dem Aufprall die Richtung. Nichts vermag sie zu berühren. Aber wenigstens friert sie … Weiterlesen Stechen.

Kanten.

Er gibt sich wirklich Mühe. Er lässt sich Zeit. Er hat Kerzen angezündet, mit Vanilleduft. Sie verspürt einen leichten Brechreiz, aber er hat es zweifellos gut gemeint. Seine feuchten Lippen eilen über ihren Bauch. Hin und wieder ertönt ein sabberndes Geräusch, es klingt, als würde ein sehr alter Hund abgestandenes Wasser aus einem Edelstahlnapf schlürfen. … Weiterlesen Kanten.

Fallende Klaviere.

Sein Leben war gar wunderlich wunderbar, es gab nichts, woran ihm mangelte, sowohl in materieller als auch in immaterieller Hinsicht war er mit nahezu grenzenlosem Reichtum gesegnet, und selbst die kühnsten Träume und Sehnsüchte waren bei ihm lediglich Vorboten einer Realität, die sich früher oder später manifestieren und dabei die besagten Träume und Sehnsüchte an … Weiterlesen Fallende Klaviere.

Am Dorfbach.

Jeder im Dorf kennt den J. Der J. ist einer, den man ein Original nennt, einen richtigen Typen. Der J. ist schon sehr früh alt geworden, doch er ist noch lange nicht alt genug, um zu sterben. Er arbeitet nicht mehr, und obwohl er sein Leben lang geschuftet hat, muss er nun vegetieren wie ein … Weiterlesen Am Dorfbach.

Weiße Finger.

Es geschieht mitunter sogar an warmen Sommertagen, vor allem aber dann, wenn die Luft frisch und kalt über die Gassen und Felder zieht; ihre Finger werden klamm, kühlen ab bis auf die Knochen, und schließlich verlieren sie Blut und Farbe, werden weiß und taub und starr. Und obwohl der Haut jegliche Empfindsamkeit fehlt, ist da … Weiterlesen Weiße Finger.

Die Antwort.

Er war zärtlicher als andere, weniger egoistisch, das war angenehm, und obschon es nicht sonderlich ungestüm oder ekstatisch war, hatte sie einen Orgasmus, den ersten seit geraumer Zeit. Jetzt liegt er neben ihr und schaut sie an. Sie weicht seinem Blick aus. Das kann sie gut. Woher kommt die Traurigkeit in deinen Augen? Seine Frage … Weiterlesen Die Antwort.

Eine Besucherin.

Eva hört ein leises Knacken, dann den Schlüssel im Schloss. Eine Sekunde lang bleibt alles stumm, und in diesem Moment breitet sich die Gewissheit im Raum aus, legt sich wie ein schweres Tuch auf ihren Körper. Sie ist ertappt, wurde erwischt. Als sie glaubt, das Knarren der Wohnungstür zu vernehmen, richtet sie sich ruckartig auf. … Weiterlesen Eine Besucherin.

Dynamit.

Er ist explodiert. Seit ihrer Hochzeit vor acht Jahren hat er Bier getrunken und gesalzene Erdnüsse gegessen. Nun ist er explodiert. Irgendwie. Jemand hat ihm eine Dynamitstange in den Arsch geschoben und die Lunte angezündet. Der Knall war überraschend leise. Jetzt hört sie sein Ächzen. Er sitzt noch immer im Wohnzimmer und sieht fern, zieht … Weiterlesen Dynamit.

Trigonometrie.

Der A. mag den B. sehr gerne, sie bezeichnen sich als Freunde, als gute Freunde, und auch wenn sie als Männer nicht von Zuneigung sprechen mögen, ist das, was sie füreinander empfinden, genau das, was man gemeinhin unter Zuneigung versteht, und wenn man den A. mit der Frage überrascht, wer in seinem Leben besonders wichtig … Weiterlesen Trigonometrie.

Kleine Kreise.

Die Kreise werden kleiner. Sie waren groß, einst, so groß, dass man sich darin verlor. Eine riesige Fläche. Stand man am Rand, konnte man die gegenüberliegende Seite nicht sehen. Nur die riesige Fläche. Und sich selbst, wie man in den Weiten versickerte. Man trat hinaus aus dem Kreis. Man trat wieder hinein. Der Kreis war … Weiterlesen Kleine Kreise.

Irrende Ameisen

Je mehr man sich von uns entfernt, desto lächerlicher wird unser Treiben, unsere Bedeutung schwindet mit wachsender Distanz. Wir werden von Körpern und Köpfen zu irrenden Ameisen, zu einzelnen Punkten, dann zu einem kollektiven Schimmer und schließlich zu einem Klumpen. Je näher wir uns kommen, desto lächerlicher wird das Treiben der Welt, unsere Bedeutung wächst … Weiterlesen Irrende Ameisen