Wie es scheint.

Ein kleines Flugzeug fliegt über den Kongo, und wenn man aus dem kleinen Fenster auf den Fluss blickt, der in ruhigen Bahnen durch den dicht bewachsenen Regenwald zieht, glaubt man, dass dort unten das Paradies sein muss, eine verwunschene Welt mit wunderlichen Wesen und weicher Natur, man glaubt, dass sich unter den Baumkronen ein unberührtes … Weiterlesen Wie es scheint.

Porzellan.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und die Porzellankiste, sie fragt Vorsicht immer wieder, wer denn ihr Vater sei, doch Vorsicht schweigt, und die Porzellankiste wirft ihre Frage in immer größere Runden, doch niemand scheint eine Antwort zu kennen oder sich um die Ungewissheit der Porzellankiste zu scheren, und dieser schlägt die offensichtliche Vaterlosigkeit ziemlich … Weiterlesen Porzellan.

Ein Satz über Toilettenpapier.

Vor gefühlten hundert Jahren und mindestens einem Dutzend durchlaufener Phasen meines Seins schrieb ich einen Text über Toilettenpapier, aus vollkommen unerfindlichem Grund, auch heute noch habe ich keine Ahnung, weshalb ich dies tat, womöglich war mir die auslösende Idee bei einem Akt der Defäkation gekommen, jedenfalls entstand dieser Text, eine muntere Ansammlung von Gedanken über … Weiterlesen Ein Satz über Toilettenpapier.

Hoppla.

«Die Zeit wird dich retten», flüstert er, und sie lächelt, doch sie glaubt ihm nicht. «Es liegt keine Rettung in der Zeit», erwidert sie, «die Zeit rettet niemanden, und niemand rettet sich vor der Zeit.» Er steht neben ihr, sie blicken in entgegengesetzte Richtungen. Er sieht ihr Gesicht nicht, doch er bemerkt, dass sie weint, … Weiterlesen Hoppla.

Das Unaussprechliche.

Am frischen Grab ihrer Eltern senkt er seinen Blick. Mit ungewohnt zerbrechlicher Stimme bittet er sie, ihm zu versprechen, niemals jemandem zu erzählen, was er getan hat, ihr angetan hat. Sie überlegt nicht lange, senkt ebenfalls den Blick und gibt das gewünschte Versprechen ab. Dann flieht sie, ein weiteres Mal. Und während sie im Flugzeug … Weiterlesen Das Unaussprechliche.

Spucken in diesem Zusammenhang.

Männer spucken eben manchmal, findet A., seine Frau jedoch verbittet es sich, dass er seine oralen Absonderungen in der Wohnung deponiert, also geht A. im freundlichen Licht eines jungen Morgens auf den kleinen Balkon, auf welchem sich die Müllsäcke stapeln, lehnt seinen massigen Körper über die Brüstung und lässt seinem Mund einen beeindruckenden Speichelfetzen entweichen, … Weiterlesen Spucken in diesem Zusammenhang.

Mitte mit Tee.

Finde deine Mitte, steht auf dem kleinen Fetzen Papier, der an einem dünnen Faden am Teebeutel hängt, und obschon ich von Teebeutelphilosophie vielleicht noch weniger halte als von Tee an sich, folge ich der befehlsmäßigen Aufforderung, zumal das Finden als grundsätzlich erfüllende Tätigkeit nicht selten ein schönes Erlebnis darzustellen vermag, außer man findet seinen Meister … Weiterlesen Mitte mit Tee.

Bodenlose Liebe.

Es ist schwierig, von Liebe zu schreiben, ohne sich in Peinlichkeiten und Limitierungen zu verlieren. Kaum ein anderes Wort muss sich so viel gefallen lassen, kaum eines kommt so inflationär zum zweifelhaften Einsatz wie eben jene Liebe. Ein örtlicher Kleinbetrieb ist auf Teppiche spezialisiert und wirbt mit dem Versprechen: Sie werden Ihren Boden lieben. Ich … Weiterlesen Bodenlose Liebe.

Fallende Vasen.

Die Vase. Sie steht auf dem Tisch, scheinbar robust, mit Mustern bemalt, mit Blumen gefüllt. Wo sie ist, gehört sie hin, es ist ihr Platz in der Welt. Doch dann, vielleicht eine unglückliche Bewegung, ein unsachgemäßer Umgang, eine Unachtsamkeit, und die Vase, sie fällt zu Boden, zerbricht in einzelne Teile, kleine Fragmente splittern ab. Scherben … Weiterlesen Fallende Vasen.

Sehnen, Entzündung.

Vereinzelte Klaviertöne erzählen von einer Zeit, die es längst nicht mehr gibt, von einer Zeit vor der Zeit, vergraben unter den Dingen, die sich häufen und ansammeln, unaufhörlich, und vielleicht gibt es ihn, den Moment im Leben, den man sehnlichst erreichen will, wenn man jünger ist, und an den man sich zurücksehnt, wenn man älter … Weiterlesen Sehnen, Entzündung.

Das perforierte Herz.

Sie steht auf einem Stein. Es ist kein großer Stein, auch kein außergewöhnlich schöner, dennoch hatte sie das seltsame Bedürfnis, sich auf diesen Stein zu stellen. Sie sieht nicht mehr von der Welt um sie herum, sie steht auch nicht höher als andere, denn sie ist allein. Irgendwie braucht sie diese erhöhte Position, um sich … Weiterlesen Das perforierte Herz.

Fünf Monate.

Eines Tages kam die Meldung. Man sei sich sicher, es gebe keine Zweifel. Die Welt werde untergehen, vollkommen, in sechs Monaten. Die Menschen, sie mochten es zuerst nicht glauben, beharrten auf einem Irrtum, doch immer mehr stellte sich Gewissheit ein. Panik breitete sich aus, blinde Wut entlud sich, wo sie nur konnte. Dann verfiel alles … Weiterlesen Fünf Monate.

Unter dem Mikroskop.

Die Gedanken wachsen sich fest, klammern sich an die Äste im Innern, wie Parasiten im System, Schimmel in den Winkeln des Zimmers; ein Stechen in der Tiefe, und jedes Kratzen macht die Wunde größer, Bakterien mischen sich ins Blut, schwimmen unbemerkt mit; der Irrglaube, was man nicht sehe, könne keinen Schaden anrichten, doch es sind … Weiterlesen Unter dem Mikroskop.

Leben in Zahlen.

Man kann vorsichtig schätzen, wie viele Jahre man als Lebewesen verbringen wird, kann diesen Wert in Tage umrechnen, das Resultat als Nenner festlegen und so zumindest in der Theorie die bruchteilhafte Bedeutung eines Tages im Vergleich zum ganzen Leben definieren. Man kann die Dauer des Schlafes in Relation zu den Stunden eines Tages stellen und … Weiterlesen Leben in Zahlen.

Sitzgelegenheit.

Da ist diese Sitzgelegenheit, und er nimmt die Gelegenheit wahr, und nun sitzt er da, am Bahnhof, inmitten von Menschen, die er nicht kennt, Menschen, die ihm eigentlich nichts bedeuten, und doch geben sie ihm viel, sie füllen die leere Zeit, von der er Unmengen hat, und das Gemurmel der Leute und das Stöckelschuhgeklapper, das … Weiterlesen Sitzgelegenheit.