Ein kleines Flugzeug fliegt über den Kongo, und wenn man aus dem kleinen Fenster auf den Fluss blickt, der in ruhigen Bahnen durch den dicht bewachsenen Regenwald zieht, glaubt man, dass dort unten das Paradies sein muss, eine verwunschene Welt mit wunderlichen Wesen und weicher Natur, man glaubt, dass sich unter den Baumkronen ein unberührtes Königreich der Unschuld und Hoffnung verbirgt, man glaubt daran oder will zumindest daran glauben, doch eigentlich weiß man es besser, man hat ja gelesen von Ausbeutung und Armut, von den Diktaturen und den Kriegen, doch beim Blick aus dem Flugzeugfenster ist davon nichts zu erkennen, man sieht nur das friedlich glänzende Wasser und das scheinbar grenzenlose Grün der Bäume.
Ein großes Fest, mit vielen Menschen, einige waren betrunken, andere nicht, aber alle lachten, jemand machte Fotos, und später schaut man sich diese Fotos an, erinnert sich an vereinzelte Situationen, kennt viele Leute gar nicht und lächelt ein wenig bitter, wenn man sich selbst in unvorteilhafter Pose sieht, und dann entdeckt man auf einem der Bilder eine Person, die man sehr schätzt und mag; man selbst dreht ihr auf dem Bild den Rücken zu und sieht darum nicht, wie man von jener Person gemustert wird, unzweifelhaft geringschätzig, der Gesichtsausdruck erfüllt von Abscheu und Missgunst, und man ist verwirrt, weil man stets überzeugt war, dass man sich freundschaftlich zugeneigt war, und vielleicht ist es ein dummer Zufall, vielleicht ein Trugschluss, vielleicht aber auch nicht.
Man begegnet ihm fast jeden Tag, er sieht immer gut aus, gesund und äußerst frohgemut, als wäre dieser merkwürdige Ausdruck einzig und allein für ihn geschaffen worden, frohgemut, niemand fügt sich so elegant und überzeugend in dieses Wort, und wie man ihn lachen und lächeln sieht, ist man abwechselnd erfüllt von Freude und Neid und Zweifel, man will ihm gerne glauben, dass dieses Frohgemute ein Wesenszug und keine Maske ist, doch häufig glaubt man es nicht, und wenn er dann irgendwann ausbricht und ausrastet, sich selbst und andere verletzt, dann erschrickt man kurz und sagt schließlich, man habe es doch schon immer gewusst, das sei ja zu erwarten gewesen, und man redet laut, damit niemand fragen kann, warum man denn nicht schon früher etwas gesagt habe.

Als wenn Menschen immer gleich agierten, einer Vorstellung einem idealisierten Bild gerecht werden könnten, so beweglich und trügerisch wie der aus dem Flugzeug still und idyllisch wirkende Kongo.
Dann hat man es gleich gewusst, als würde ein lang und still gehegter Verdacht bestätigt und wäre ob dieser eigenen Wahrheit, den Schein durchschaut zu haben, Wohlwollen oder Enttäuschung der Spiegel?
Menschen verletzen. Bewusst, unbewusst. Mit Waffen, Verhalten, Worten. Alle tragen ihre Masken, die sie vermeintlich vor den anderen schützen, sie unterstützen, denn Offenheit und Verwundbarkeit knickt schneller mal in den Knien ein, ist eher weich strukturiert und auch Unvorteilhaftes tolerierend eingestellt im Bewusstsein eigener Unperfektion.
Wer will sich da noch wundern, all diesem Angescheine nach…?
Wieder einmal gern hiergewesen, gelesen, nachgedacht, Gedanken gemacht, vielen Dank und
Gruß von der Karfunkelfee
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Wie schön und in tiefe Gründe weitergedacht, vielen lieben Dank dafür… Die Offenheit und Verwundbarkeit, die weich strukturiert ist und manchmal einknickt; ein feines Sinnbild… Nochmals Danke fürs Lesen und Gedankenmachen und Gedankenteilen…
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