vs. Jahre.

Sie kämpft gegen die Zeit, kämpft gegen deren Botschafter, jeden Tag, und jeder Tag hat vierundzwanzig Stunden und jede Stunde hat sechzig Minuten und jede Minute hat sechzig Sekunden und jede Sekunde dauert gleich lange, aber darum geht es nicht, es sind nicht die Sekunden und Minuten, nicht die Stunden und Tage, die ihre Feinde … Weiterlesen vs. Jahre.

Cocktail.

Sie erzählt davon, wie sie am Vorabend nackt ins Wasser gesprungen sei, an jener Stelle, an welcher der Kanal in den See mündet, und wenn dann jemand sagt, er sei am Vorabend auch dort gewesen, an eben jener Stelle, den ganzen Abend lang, dann ist sie leicht irritiert, aber nur kurz, ach, dann haben wir … Weiterlesen Cocktail.

Socken.

«Irgendwann wird das Lügen zum Reflex. Irgendwann erzählen sich die Geschichten von selbst, und es sind nicht mehr wirklich deine eigenen, deine wahrhaftigen Geschichten. Man wird zum Protagonisten in einem Theaterstück. Ich kann das nicht mehr.» «Und was willst du tun?» «Aufhören.» «Inwiefern?» «Einfach aufhören.» «Aha.» «Ja.» «Gibt’s keinen anderen Weg?» «Es gibt immer einen … Weiterlesen Socken.

Der Bauer Herrmann.

Jemand hat dem Bauern Herrmann eine Kuh umgeworfen. Das macht man nicht, sagt der Bauer Herrmann, das zeugt von Respektlosigkeit. Er grummelt noch ein wenig in seinen Bart, es ist ein imposanter, ein dichter, wuchtiger Bart, und dann sagt Bauer Herrmann, das sei sicher einer von den Negern gewesen. Bauer Herrmann sagt Neger, weil es … Weiterlesen Der Bauer Herrmann.

Keine wirkliche Geschichte.

An einem Dienstagabend im Januar konnte man auf einigen Nachrichtenplattformen im Internet die Meldung lesen, dass in Kalifornien eine Schießerei in einem Militärkrankenhaus im Gange sei. Ein aktiver Schütze sei im Gebäude unterwegs, Angestellte und Patienten sollen sich verstecken, wegrennen oder kämpfen. Mehr sei derzeit nicht bekannt. Es hätte eine wirkliche Geschichte werden können. Nicht … Weiterlesen Keine wirkliche Geschichte.

Eine Abweichung.

Sie weiß nicht, wann und wie es angefangen hat. Wahrscheinlich war es nur ein kleines Verbiegen der Wahrheit, eine minimale Abwandlung, eine unbemerkte Abweichung zwischen Erlebtem und Erzähltem, ein Schlenker im Interpretationsspielraum. Eine mikroskopisch kleine Lüge, wohl nur eine Flunkerei, doch sie veränderte die Richtung, verändert den Lauf der Zeit, den Lauf der Dinge. Zu … Weiterlesen Eine Abweichung.

Wie es scheint.

Ein kleines Flugzeug fliegt über den Kongo, und wenn man aus dem kleinen Fenster auf den Fluss blickt, der in ruhigen Bahnen durch den dicht bewachsenen Regenwald zieht, glaubt man, dass dort unten das Paradies sein muss, eine verwunschene Welt mit wunderlichen Wesen und weicher Natur, man glaubt, dass sich unter den Baumkronen ein unberührtes … Weiterlesen Wie es scheint.

Bert und Anita.

Sie war ihm unweigerlich aufgefallen. Schöne Frauen fallen ihm meistens auf, und sie war außergewöhnlich schön, zumindest nach seinem Empfinden. Sie war mit einem Mann im Lokal, der offensichtlich ihr Freund oder Liebhaber war; sie saßen sich gegenüber, einige Meter von Bert entfernt. Immer wieder tauschten sie die Blicke aus, die man aus Filmen kennt, … Weiterlesen Bert und Anita.

In ihren Augen.

Da war dieser Mann, der hatte eigentlich alles, und alles, was er hatte, fand er ganz fürchterlich. Das Geld, die klimatisierten Räume, die sogenannten Freunde, mit denen er teure Weine trank, den großen Tisch in seinem großen Büro, die goldene Uhr an seinem Handgelenk; dieser Dinge und ihrer vermeintlichen Kultur war er allmählich überdrüssig geworden. … Weiterlesen In ihren Augen.

Der Konsul von Gambia.

Er hatte ein kleines Unternehmen aufgebaut, und als Kraft und Motivation allmählich schwanden, legte er es in die Hände seines Sohnes, der es in seinem Sinne weiterführte. Der Vater, er war von ruhelosem Geist, auch wenn sich dies nie in aufdringlicher Weise zeigte. Er wirkte stets besonnen und geduldig, würdevoll. Nach dem beruflichen Rückzug konzentrierte … Weiterlesen Der Konsul von Gambia.

Enttäuschende, Kinder.

In einem wunderbaren Film erzählt eine junge Frau davon, wie sie von ihrem Vater physisch und psychisch missbraucht wurde, doch sie schildert nicht die Fakten, sondern liest eine kurze Kindergeschichte vor, die sie geschrieben hat, und diese Kindergeschichte, sie handelt von einem Oktopus, der einen Freund sucht und glaubt, diesen in einem Hai gefunden zu … Weiterlesen Enttäuschende, Kinder.

Muskelzucken.

Es waren immer nur ein paar Muskeln, die sie bewegen musste, es kostete nichts und war keineswegs anstrengend, ihr Lächeln, sie zeigte es gern und oft, eigentlich fast immer, es war ein Geschenk, es war wie ein Blumenstrauß, den man kauft, wenn man eingeladen ist, weil man doch etwas mitbringen muss, aber nicht weiß, was … Weiterlesen Muskelzucken.

Die Lüge der Zeit.

Manchmal hört er die alten Lieder. Einige klingen seltsam dumpf, als spielte man sie in einer Höhle oder unter einer Decke. Andere hingegen hallen im Innern wieder, der ganze Körper ist ein Resonanzkasten, alles ist so präsent, so gegenwärtig. Musik, wie auch Filme oder Bücher oder Bilder, sie altern nicht linear und gleichmäßig. Er ist … Weiterlesen Die Lüge der Zeit.

Unterwassertränen.

Da ist ein Knoten in der Zunge, wenn sie von Angst und Liebe spricht, aber sie versteht nicht, warum andere verstehen sollten, was sie selbst nicht versteht. Ihre Knochen sind Schwemmholz, ihre Haare wachsen algengleich in die Tiefe. Sie weint nur unter Wasser, das ist Vorsicht, das ist Rücksicht, das ist Absicht. Sie schwimmt nicht … Weiterlesen Unterwassertränen.

Diese Idioten.

Sie kratzen die Farbe von alten Metalltischen, sie gehen immer zu langsam oder zu schnell, immer langsamer oder schneller als du selbst, diese Idioten, sie riechen seltsam, vor allem in überfüllten Zügen, vor allem im Sommer, vor allem am frühen Abend, sie drängen sich vor, drängen sich auf, drängen auf Veränderung und bleiben doch gleich, … Weiterlesen Diese Idioten.

Loblos.

Man soll den Tag nicht vor dem Abend, und überhaupt, zu viel des Lobes sei nicht gut, sagen die diplomierten Pädagogen, sehr viele Menschen hören sehr viel zu gern, wie gut sie seien, sie hören es selbst dann, wenn es niemand ausspricht, hören es so oft, dass sie darauf verzichten, sich zu fragen, ob das … Weiterlesen Loblos.