In einem wunderbaren Film erzählt eine junge Frau davon, wie sie von ihrem Vater physisch und psychisch missbraucht wurde, doch sie schildert nicht die Fakten, sondern liest eine kurze Kindergeschichte vor, die sie geschrieben hat, und diese Kindergeschichte, sie handelt von einem Oktopus, der einen Freund sucht und glaubt, diesen in einem Hai gefunden zu haben, und der Hai, er will dem Oktopus durchaus ein Freund sein, verlangt dafür aber, dass er ihm einen Arm abbeißen darf, und der Oktopus, er glaubt, das sei Freundschaft und opfert einen Arm, er denkt, was ist schon ein Arm, das ist nicht schlimm, er hat ja acht davon, aber der Hai, er will immer mehr, und der Oktopus gibt immer mehr, und der Hai beißt dem Oktopus einen Arm nach dem anderen ab, bis kein Arm und auch kein Oktopus mehr übrig ist.
Spätestens in jenem Moment, in welchem Kinder beginnen, uns Fragen zu stellen, beginnen wir damit, sie zu enttäuschen. Unsere Antworten, zumindest einige davon, zerren mit Widerhaken an den kleinen Herzen, treiben Späne unter die Haut und bringen Kartenhäuser zum Einsturz, ganz egal, wie vorsichtig wir auftreten. Es ist nicht so, dass wir sie enttäuschen wollen. Doch wenn wir unseren Kindern die Welt zeigen, sie ihnen erklären möchten, müssen wir es tun. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig.
All die Kriege und die leeren Bäuche, die hasserfüllten Gesichter und das Ungleichgewicht, die Gewalt und die Ignoranz, sie machen uns ratlos, machtlos, hilflos, und obwohl wir all die Dinge nicht verstehen können, müssen wir sie unseren Kindern erklären. Natürlich können wir abwinken, natürlich können wir schweigen, natürlich können wir lügen. Aber irgendwann gibt es keine Ausreden mehr. Irgendwann genügen die bunten Zeichnungen in den Bilderbüchern nicht mehr, um Zusammenhänge zu veranschaulichen und die Dinge der Welt zu erklären. Irgendwann sind da mehr Schattierungen als nur Hell und Dunkel und Gut und Böse. Irgendwann haben nicht mehr alle Erzählungen ein glückliches Ende. Irgendwann gehen uns die Märchen aus. Und irgendwann werden die Kinder begreifen, werden begreifen müssen, dass die Geschichte vom Hai und vom Oktopus nicht im fernen Ozean spielt, sondern in nächster Nähe, vielleicht nur wenige Häuser entfernt.
Da stecken Widerhaken in den Herzen und Späne unter der Haut, und die Karten, sie liegen auf dem Tisch. Draußen im Ozean, dort sind die Haie, hungrig und jagend. Sie zu verschweigen, macht sie nur noch gefährlicher. Und wenn wir den kleinen Oktopussen die Welt zeigen, sie ihnen erklären möchten, müssen wir ihnen von den Haien erzählen. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig.

ja, lieber Disputnik, ist doch die Welt für uns Erwachsene zu oft schon unerträglich, da ist es doch kein Wunder, wenn es an einer Unmöglichkeit grenzt, diese Welt unseren Kindern i. w. positiv erklärend auszuschmücken…
da doch das alltägliche Leben uns allen fast nur noch Ohrwatschen zurückgibt…
Blick zurück – im Zorn!
Blick in die Gegenwart – im Zorn!!
Blick in die Zukunft – im Zorn!!!
Wieder mal ein traumhaft, alptraumhaft guter Text von dir,
liebe Sonnengrüße von mir,
Finbar
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Ach Finbar, vielen lieben Dank für deine Worte…
Ja, es ist wohl schwierig, den Kindern die Welt der Erwachsenen näherzubringen, denn eben, Enttäuschungen sind da nicht zu verhindern… Und ja, da ist Zorn, aber da ist auch Liebe, und davon muss man auch erzählen, finde ich…
Liebe Sonnengrüsse zurück zu dir, und nochmals lieben Dank!
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Nur aufzuklären reicht meist nicht. Kinder müssen auch lernen sich gegen Haie zu wehren. Das muss nun nicht mit den Fäusten sein. Aber es hilft. Mein Vater hat mich mit sanfter Hand aufs Leben vorbereitet, wofür ich ihm ewig dankbar bin. Und so sollten wir es mit (unseren) Kindern tun.
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Ja, natürlich hast du recht; zu lernen, sich zu wehren, ist enorm wichtig. Das Wort Nein ist zentral, kann entscheidend und rettend sein, vor allem mit Ausrufezeichen… Vielen Dank fürs Lesen und für deine Worte…
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Wunderbarer und schrecklich schöner, aber auch grausamer Text. Eine Gradwanderung zwischen Beschützen und Vorbereiten.
Vielen Dank für diese Perle, ich musste sie rebloggen!
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Klappt aber irgendwie nicht so…:-s
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Nicht so schlimm… Sowieso und überhaupt lieben Dank für den Versuch…
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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Ein Text, den ich rebloggen muss…der von uns Menschen gelesen werden sollte, damit wir wachsam bleiben.
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Vielen Dank dir fürs Lesen und fürs Rebloggen. Und fürs Wachsambleiben.
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Hat dies auf farbenfroehlich rebloggt.
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was für ein unglaublicher Text!
ich habe schon einmal eine Geschichte von dir gelesen, die auch dieses sensible Thema behandelte, die ich sehr eindrucksvoll fand.
Danke fürs lesen dürfen.
ein paar Gedanken zum Thema:
Das Kind sucht nach Antworten.
die Antworten sucht das Kind in den erfahreneren.
es gibt verschiedene Wege, auch die Lektionen des Abschiednehmens, das Loslassens, der Bitterkeiten des Lebens sanft und liebevoll zu vermitteln.
eine liebevolle Umarmung
kann die Untröstlichkeit
über einen unerfüllten Wunsch abmildern…
ein lächelndes nein wirkt anders als ein wütendes nein
einem wütenden nein ein freundliches doch entgegensetzen
mit aller Konsequenz…
da draußen ist die Wildbahn.
es ist wichtig, dass die Kinder dafür vorbereitet werden.
sie aufzustellen für das Leben, bedeutet auch sie in mancher Hinsicht zu stählen, ihre Disziplin zu trainieren, Ihr Durchhaltevermögen anzuspornen…
Humor ist jederzeit ein guter Tränentröster… vor allem wenn es ein Humor ist, der das Leid des anderen achtet…
Zärtlichkeit ist so wichtig für Kinder.
wenn dies alles zusammenkommt, sind Kinder wirklich behütet in dem was sie brauchen, um gesund und glücklich aufwachsen zu können:
Liebe und Rückhalt.
solche Kinder lernen zu den Haien dieser Welt laut nein! zu sagen.
solche Kinder haben keine Angst dass ihre Eltern es nicht verstehen wenn so etwas passiert mit ihnen, dass ihnen ein Hai einen Arm abbeißt.
sie wissen nämlich, dass ihre Eltern, wenn sie das erfahren würden, kommen würden, und den Hai schlachten…
ich wünsche mir eigentlich nur noch solche Eltern….
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen. Und natürlich für deine gewichtigen Gedanken zum Thema, die so viele Wahrheiten ansprechen…
Ja, es gibt verschiedene Wege, die Lektionen des Lebens zu vermitteln, und häufig kann man sich wohl auch einfach auf seine elterlichen Instinkte verlassen, auf die Liebe. Man kann die Kinder nicht vor allem schützen. Sollte man wohl auch nicht. Aber man kann und sollte da sein, einfach da sein, mit offenen Ohren, offenen Armen, offenen Augen.
Eben, man kann die Kinder nicht vor allem und jedem schützen. Darum bleibt wohl immer eine gewisse Angst da. Es ist eine machtlose Angst, eine unveränderliche Angst. Doch ich bin froh, dass sie da ist. Weil ich ohne diese Angst wohl nicht da sein könnte. Für die Kinder. Und überhaupt.
Nochmals lieben Dank dir…
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Hat dies auf lautdenker rebloggt.
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es kann nicht oft genug erzählt werden auch wenn wir als Eltern enttäuschen müssen so wäre es mord wenn wir es nicht täten
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Ich weiß nicht, ob es Mord wäre, aber auf jeden Fall unverzeihlich… Vielen Dank fürs Lesen, für deine Worte und fürs Rebloggen…
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bitte gern und „mord“ sicher als übertreibung aber kinder vor allem beschützen zu wollen wäre dann „mord“ sobald diese kinder in die offene gesellschaft gelangen
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Der Freund, der immer mehr will und auffrisst, was ihn anhimmelt…eine alte Geschichte und unentwegt neu aufgelegt, in der Realität tagtäglich gut zu beobachten, oh ja
aber wie unsere Kinderchen vorbereiten auf die Welt, wie sie wirklich ist?
Behutsam, klar doch, aber wie behutsam und wann sollten wie es tun, wann sind sie reif für die Heie der Welt?
Ach ja, es ist schwierig, aber es wird sich ergeben zu einem Zeitpunkt, der nicht vorherzusehen ist und dann ist Dein Geschick gefragt, Dein Einfühlungsvermögen, aber bis dahin sind einige Jährchen vergangen u. die Winzlinge wissen schon so einiges und dank Dir und Deines Einfühlungsvermögens sind sie dann reif für das, was es nun zu sagen gibt…
und eines ist sicher, Du wirst es so gut machen, wie es nur geht…
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Liebe Bruni
Wie recht du hast mit deinen Fragen, mit dem Wie und Wann. Und manchmal ist da auch das Was. Von den Haien soll und muss man erzählen, nicht zu früh, aber früh genug. Bei den kleinen Stolpersteinchen jedoch muss man manchmal lernen, zu schweigen und die Kinder selber stolpern zu lassen. Was auch nicht immer leicht ist. Und ja, ich hoffe, dass ich es so gut machen werde, wie es nur geht; ich weiß grad nicht, was wichtiger wäre.
Nochmals vielen lieben Dank für deine Gedanken und deren Tiefe…
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Hat dies auf Gedanken sind frei rebloggt.
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Lieben Dank für den Reblog!
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gern geschehen. ich finde es auch wichtig, die kinder über die haie aufzuklären.
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Ja, ist es. Nicht einfach, aber wichtig. Vielen Dank nochmals…
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