Er hatte mehr erwartet. Mehr Getöse, mehr Staub. Es hätte doch länger und lauter sein müssen, so hatte er es sich zumindest vorgestellt, und nun ist er enttäuscht. Es war so kurz, so leise, so belanglos und nichtssagend.
Er kannte das Gefühl. Jedes Mal, wenn er ein Glas zertrümmerte, war das Ereignis ebenfalls so kurz, so leise, so belanglos und nichtssagend. In seiner Vorstellung nahm das Klirren stets so viel mehr Raum ein, das Zerbrechen des Glases schien sich in der Zeit auszubreiten, schien alles einzunehmen und auszufüllen, doch als es jeweils tatsächlich geschah, blieb von der Vorstellung nicht viel übrig. Da war nur ein unerhebliches Geräusch, ein beinahe tonloses Krachen. Und da waren viel weniger Scherben als gedacht.
Nun steht er vor den Trümmern seines eigenen Körpers, nach dem unerheblichen Geräusch, nach dem tonlosen Krachen. Er hatte gedacht, dass diese Hülle, die so prall gefüllt war mit Blut und Fleisch, mit Leerstellen und versteinerten Momenten, dass diese Hülle wuchtig aufplatzen würde. Dass die Jahre, die sich in diesem Leib angesammelt hatten, wie in einer Explosion entweichen würden. Dass all die Wichtigkeiten und Nichtigkeiten sich in Scharen und Schwärmen ausbreiten würden. Doch da sind viel weniger Scherben als gedacht.
Vielleicht hätte er das Glas nicht zertrümmern sollen. Zumindest nicht, solange es noch halbvoll oder halbleer war. Vielleicht muss es zuerst ausgetrunken sein, das Leben. Vielleicht war es darum so unerheblich, das Geräusch. Vielleicht war es zu früh dafür.

Ich muss sagen, ich dachte früher auch, dass das Werfen leerer Glasflaschen zum Beispiel mehr „Lärm“ machen müsste… und vielleicht liegt die Tragik von vielem nicht in dem Getöse. Das Leben selbst kann schon unglaublich laut sein, wahrscheinlich ist es so die fast notwendige Konsequenz, dass das Ende eines Lebens dementsprechend leise ausfällt. Als Ausgleich. Auch wenn man glaubt, dass davon ungefähr das gesamte Universum zerbersten müsste, manchmal ist gerade das, was sich „am schlimmsten“ anfühlt, sehr, sehr leise… (Liegt darin eine Parallele zu der „Tatsache“, dass es „heutzutage“ so viele Menschen gibt, die keine Stille ertragen können?)
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Ja, das leise Ende nach dem lauten Leben, und in jedem Fall danach die Stille.
Ich weiss nicht, ob die Stille unerträglicher geworden ist mit der Zeit. Vielleicht nimmt die Unerträglichkeit der Stille auch allmählich mehr Raum ein, je mehr und häufiger man mit ihr, der letzten Stille, konfrontiert wird…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen, für dein Weiterdenken und deine Worte…
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ein unerhebliches Geräusch… wenn ein Glas zerbricht.
Was erwartete er wohl? Daß mindestens die Decke einstürzt und er darunter begaben liegt?
Oder nur ein kleines bißchen mehr als 100 g? Wie bei der Wurst? *g*
In meinen Ohren klirrt es ganz gewaltig, wenn ich ein Glas zerschlage u. ich finde,
es könnte etwa weniger Krach machen, damit nicht auffällt, was mir wieder mal passiert…
Doch mit dem Körper gebe ich ihm recht, da wird mir zwar von der Vorstellung schon schlecht,
wenn ich daran denke, wie ein Körper zerbirst und doch geschieht es in Windeseile und das
Leben fließt aus ihm heraus und dann wird es noch weniger, was bleibt, ein Häuflein Asche,
das der Wind verweht…
Solange war ich nicht hier und stelle fest, Deine Texte haben es immer noch in sich…, nämlich
das, was nachdenklich macht und viele Gedanken auf den Plan ruft.
Einen lieben Gruß von Bruni
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Ich weiss nicht, was er erwartete. Bestimmt etwas anderes, womöglich zu viel, und vielleicht liegt es gerade am Erwarten an sich…
Irgendwie ist es erstaunlich, wie etwas/jemand einerseits über Jahrzehnte hinweg wachsen kann, weil es einfach nicht schneller geht, und es andererseits nur Sekunden dauert, um alles zu beenden, ganz schnell und leise…
Schön, hier mal wieder von dir zu lesen… Vielen lieben Dank dir für den Besuch hier und für deine Gedanken…
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ja, das ist erstaunlich und auch sehr erschreckend… es geht so schnell mit diesem Ende, so leise, als sei es das Auslöschen einer winzigen Flamme nur und dabei hatten wir doch mal so viel Energie – dachten wir…
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Wir hatten sie wohl auch, die Energie, haben sie doch noch immer. Brennen wir. Lieben Dank dir für deine Gedanken!
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Ist es nicht immer zu früh dafür?
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Ich weiss nicht… vielleicht gibt es verschiedene Ausprägungen von «zu früh».
Vielen Dank dir fürs Lesen!
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