Gleichgültigkeiten.

Er erinnert sich noch genau an jenen Tag. Dicke flockige Wolken hingen am Himmel, ein leichter Dunst lag über dem See, es war warm, ein zaghafter Wind wehte. Es war ein ermüdend normaler Tag, so schien es, und während er am Ufer stand, griff die Normalität auch auf ihn über; er verspürte eine gewisse Gleichgültigkeit, … Weiterlesen Gleichgültigkeiten.

Wider Erwarten.

Du musst dein Zimmer aufräumen, du musst lesen, du musst schreiben, du musst Danke sagen, du musst höflich sein, du musst addieren und subtrahieren und multiplizieren und dividieren, du musst ein Instrument spielen, lieber Geige als Gitarre, du musst pünktlich sein, du musst lernen, du musst dir Mühe geben, du musst auf die Zähne beißen, … Weiterlesen Wider Erwarten.

Die Spinne.

Jeder Raum ihrer neuen Wohnung ist Brachland, jeder Winkel erzählt von einem neuen Anfang, die Wände sind nackt, als wären sie gerade erst zur Welt gekommen. Der Geruch von Farbe hängt noch in der Luft, vermengt mit den süßlichen Vanillenuancen der Duftkerzen, die sie anzuzünden pflegt. Sie ist ebenfalls häufig nackt, wie frisch geboren, will … Weiterlesen Die Spinne.

Das Knarren.

Da war nichts, sagt er sich. Trotzdem richtet er sich auf, bleibt einige Sekunden lang starr und angespannt, wartet ab, ob er nochmals etwas hört. Doch alles ist ruhig, das Haus ist still. Da war wohl tatsächlich nichts. Er blickt auf die Digitalanzeige seines Weckers. 2:11, sagen die roten Ziffern. Er weiß nicht genau, ob … Weiterlesen Das Knarren.

Allein in der Stadt.

Er fährt in eine Stadt, die er nicht kennt, er fährt ohne Begleitung, ganz allein, ihm ist niemand bekannt, der in jener Stadt wohnt oder zumindest in relativer Nähe lebt, er ist ein Fremder ohne jegliche Bezugspunkte; jedes Gesicht ist ein neues Gesicht, jede Gasse ist unbekanntes Terrain, jede Häuserecke ist Neuland, und alles, was … Weiterlesen Allein in der Stadt.

Ihre Lieder.

Sie hat eine Melodie im Kopf, passende Wortfetzen, die Idee eines Liedes. Sie glaubt, es wäre ein besonderes Lied, und sie möchte es festhalten, möchte es niederschreiben, so gut es geht, doch sie ist unterwegs, ohne Stift, ohne Papier. Sie sieht eine Telefonzelle, geht hinein, schließt die Tür. Sie singt das Lied in die hermetisch … Weiterlesen Ihre Lieder.

Sie rennt.

Am Anfang sind die Schritte noch zaghaft, unsicher gar, ein vorsichtiges Tasten auf vorgegebenen Wegen. Die Straßen sind asphaltiert, die Gassen von Mauern gesäumt, dekorative Elemente aus Stahl oder Beton verleihen selbst kleinen Plätzen eine gewisse Struktur und Ordnung. Hin und wieder kommen ihre Füße von der Spur ab, doch sie korrigiert derartige Abweichungen rasch, … Weiterlesen Sie rennt.

Die Reifeprüfung.

Sie war Witwe geworden, lange bevor sie Großmutter wurde, und heute fragt sie sich, ob die Witwe und die Großmutter wohl die Frau in ihr vertrieben haben. Sie schaut einmal pro Monat Die Reifeprüfung, obwohl sie den Film gar nicht sonderlich mag. Ihre Tochter versichert ihr manchmal, sie sehe gut aus für ihr Alter, und … Weiterlesen Die Reifeprüfung.

Luftlöcher.

Er ist nicht sonderlich groß, wohl unter dem Durchschnitt, doch manchmal überragt er selbst jene, die auf den Schultern des Riesen stehen, sein Kopf reicht weit über die Wolken und die Brust droht zu explodieren, alles droht zu explodieren, die fast unerträgliche Schönheit der Welt hat nicht annähernd Platz in seinem hageren Leib, alles muss … Weiterlesen Luftlöcher.

Ein Mann mit Hut.

Er steht dort oben, der einsamste Mensch der Welt, alles ist dunkel, nur er ist erleuchtet, beleuchtet, das Scheinwerferlicht lässt Schweißtropfen aus seinen Poren dringen, mit dem Handrücken wischt er sich das fettige Glänzen von der Stirn und schiebt dabei den Hut ein wenig nach oben, es ist eine Melone, niemand trägt mehr Melonen in … Weiterlesen Ein Mann mit Hut.