Die Geschwüre.

Er kennt seine Nachbarn, und die meisten unter ihnen findet er in Ordnung; gute Leute, anständige Leute, kein Gesindel. Trotzdem hat er sein Grundstück mit alten Gitterstangen und Steinmauern eingezäunt. Auf diesem sicheren und geschützten Grundstück steht sein sicheres und geschütztes Haus, und in seinem sicheren und geschützten Haus hockt er, sicher und geschützt. Häufig … Weiterlesen Die Geschwüre.

A. und O.

Sie fragen sich nicht, wie sie hier gelandet sind, in diesem innigen Raum, an diesem warmen Punkt, in diesem wahrhaftigen Moment. Sie sind nur froh, dass es so ist. Auf der Haut verdunstet der frische Schweiß, ihrer beider Atem wird allmählich wieder langsamer. Frau O. und Frau A. liegen auf dem Bett und aneinandergefügt, als … Weiterlesen A. und O.

Ganz fürchterlich.

Sie reden und reden und reden. Sie werfen ihre Hände in alle Richtungen, sie verleihen der Stirn tiefste Furchen und reißen im nächsten Moment die Augenbrauen nach oben. Sie modulieren ihre Stimmlage, sie erbrechen Wortschwalle, sie atmen schwer. Alles ist ganz fürchterlich. Alles ist so dramatisch. Alles ist so wichtig. Er kann es nicht mehr … Weiterlesen Ganz fürchterlich.

Keine wirkliche Geschichte.

An einem Dienstagabend im Januar konnte man auf einigen Nachrichtenplattformen im Internet die Meldung lesen, dass in Kalifornien eine Schießerei in einem Militärkrankenhaus im Gange sei. Ein aktiver Schütze sei im Gebäude unterwegs, Angestellte und Patienten sollen sich verstecken, wegrennen oder kämpfen. Mehr sei derzeit nicht bekannt. Es hätte eine wirkliche Geschichte werden können. Nicht … Weiterlesen Keine wirkliche Geschichte.

Manipulation.

Das Bild vor ihm ist bunt, eine Welt aus Kaugummi und Regenbogen, die Farben sind hell und grell. Er weiß durchaus, dass dies nicht die Realität ist, sondern nur eine minutiös geplante Illusion. Er weiß, dass die Menschen, die er auf dem Bildschirm sieht, zwar echt sind, sich aber nur einer Inszenierung hingeben und eigentlich nur … Weiterlesen Manipulation.

Hitler und der Zölibat.

In einer kleinen Gemeinde im Montafon verteidigt ein Pfarrer den Zölibat. Im Pfarrblatt schreibt Eberhard Amann unter anderem, dass die Neomarxisten nicht nur den besagten Eheverzicht zerstören möchten, sondern auch das Bollwerk der Einehe und die Familie an sich. Um Sinn und Zweck des Zölibats zu verdeutlichen, zieht der Pfarrer dann einen merkwürdigen Vergleich. «In … Weiterlesen Hitler und der Zölibat.

Der Vatermörder.

Irgendwo in einem kleinen Ort in der Nähe einer Stadt, in der man noch nie war, bringt ein junger Mann seinen Vater um. Man liest davon in der Zeitung, eher zufällig, eine kleine Meldung, denn die Informationen sind noch dürftig. Der Sohn ist gut zwanzig Jahre alt, der Vater war sechsundsechzig, er wurde erstochen aufgefunden, … Weiterlesen Der Vatermörder.

Die Hexe.

Man weiß gar nicht genau, wie es begann, doch wahrscheinlich mit verschmähten Avancen. Ein Mann fand Gefallen an der Frau, was angesichts ihrer langen schwarzen Haare, ihres schönen Antlitzes und ihrer wohlgeformten Statur durchaus nachvollziehbar schien. Sie hingegen zeigte sich nicht sonderlich interessiert, und als er zudringlich wurde, wies sie ihn mit einem herzhaften Tritt … Weiterlesen Die Hexe.

Maziar Bahari.

Er saß 118 Tage lang im Gefängnis. Ein Verbrechen begangen hat er nicht, kein Gesetz gebrochen, weder gegen ethische noch gegen moralische Grundsätze verstoßen. Er wollte lediglich Bericht erstatten, denn das ist sein Beruf, Berichterstatter, Journalist. Sie sperrten ihn ein, weil sie glaubten, er sei ein Spion. Verhörten und folterten ihn, täglich. Während seine Frau … Weiterlesen Maziar Bahari.

Ein Satz über die unterschiedliche Lautstärke des öffentlichen Sterbens.

Es ist schön warm im Wohnzimmer, ein schönes, warmes und wohnlich gezimmertes Leben, und während wir billigen Wein aus nicht ganz billigen Gläsern trinken, sterben die Menschen im Fernsehen, sterben in den Zeitungen und im Internet, und wenn etwa einige Dutzend Personen in amerikanischen Metropolen einem Sturm zum Opfer fallen, ist die Betroffenheit groß, obwohl … Weiterlesen Ein Satz über die unterschiedliche Lautstärke des öffentlichen Sterbens.

Leymah Gbowee.

Ihr Name ist für unsere Zungen und Augen eine Herausforderung, eine weitgehend unbekannte dazu, denn er ist nur wenigen ein Begriff, was wiederum nicht an der Anordnung der Buchstaben liegt, sondern eher an der fremden Welt, in der sie sich bewegt, sich selbst, aber auch viele andere Menschen, vornehmlich Frauen, etwa jene, die sie zum … Weiterlesen Leymah Gbowee.

Brüste zum Kotzen.

Ein typographischer Faustschlag. In grossen Lettern stellt eine der auflagenstärksten Zeitungen des Landes die brennende Frage, ob ein semiprominentes Model zu flach sei, also zu kleine Brüste habe. Auch in mir flammt eine Frage auf, ich überlege, welcher Aspekt in mir den grössten Brechreiz auslöst. Dass der Körper einer Frau zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion … Weiterlesen Brüste zum Kotzen.

Schlecht im Bett.

Ich bin schlecht im Bett. Richtig schlecht. Es ist ein Glück, dass sich nicht alle Frauen, mit denen ich jemals unter einer Decke steckte, zu einer Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen haben, um ihr diesbezügliches Trauma bewältigen zu können. Meine Qualitäten als Liebhaber verkümmern weit unter dem Durchschnitt, in einer Disziplin, in welcher auch Durchschnittsnoten mangelhaft sind. Das … Weiterlesen Schlecht im Bett.

Die Welt sehen.

Wer die Welt durch die Augen der Medien sieht, dürfte wohl kaum davon angetan sein, in ihr leben zu müssen. Es ist ein schrecklicher Mensch, der da irrgeleitet über Bildschirme und durch Zeitungsspalten geistert, zumeist begleitet von Gewalt und Angst, von Egoismus und zweifelhalfen Idealen. Es ist ein Gespenst, fest verankert in der Realität, sich … Weiterlesen Die Welt sehen.