Am ersten Märztag im Jahr 1986 verlor ich meine Unschuld. Im Fernsehen lief eine Nachrichtensendung, meine Eltern waren zugegen, meine Mutter weinte. Ich weiß nicht mehr, wie das Wetter war. Aber es war kein schöner Tag.
Am Abend zuvor war Olof Palme in der Innenstadt von Stockholm erschossen worden. Meine Eltern hatten sich in Schweden kennengelernt und verliebt, lange im Südwesten des Landes gewohnt und waren erst nach ihrer Heirat weggezogen, weshalb der Bezug zu Schweden auch Jahre später noch sehr stark war. Wann immer sie nicht wollten, dass wir Kinder sie verstehen konnten, unterhielten sie sich auf Schwedisch. Was auf Schwedisch gesprochen wurde, schien wichtig, schien geheimnisvoll. Und nun war das Staatsoberhaupt dieses wichtigen und geheimnisvollen Landes ermordet worden.
Wenn ich mich heute frage, wann mir zum ersten Mal bewusst wurde, wie böse der Mensch sein kann, fällt mir jener Moment im elterlichen Wohnzimmer ein. Vielleicht war es die Tatsache, dass der Tod eines fremden Menschen meine Mutter in Tränen ausbrechen ließ. Vielleicht war es der Umstand, dass an jenem Tag in unserem Wohnzimmer nur noch über Olof Palme geredet wurde. Oder vielleicht war es das erste Mal, dass ich zu wissen glaubte, was der Nachrichtensprecher mit ernster Miene und sonorer Stimme erzählte, obwohl ich es nie wirklich verstehen konnte und bis heute nicht kann. Wahrscheinlich hätte es, in anderen Zeiten oder Zusammenhängen, auch Gandhi, Kennedy oder King sein können, ein Krieg oder ein Attentat, womöglich auch nur ein scheinbar unscheinbares Ereignis. Doch es war Olof Palme, der meine Unschuld geraubt hat, in unserem Wohnzimmer, damals im Jahr 1986. Ich weiß nicht mehr, wie das Wetter war. Aber es war kein schöner Tag.

2008 war ich dort in Stockholm vor Ort, lieber Disputnik,
Ich stand dort und lief hin und her und weinte,
Solange,
Bis ich irgendwann wieder weitergehen konnte Richtung Altstadt…
Noch heute denke ich oft daran,
Und nun wieder
Ob deiner beeindruckenden
Worte…
Liebe Grüße zur Nacht
Vom Finbar
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Es sind wohl nicht deine Erinnerungen, die mich freuen, wohl aber, dass meine Worte etwas auslösen bei dir… Es ist schon merkwürdig, wie manche Momente im Leben sich so stur in die Köpfe pflanzen wie ein Mammutbaum, nicht wahr?
Vielen lieben Dank für dein Lesen und deine Worte, und herzliche Grüsse…
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Nein, kein schöner Tag. Aber war es Olof Palme, der die Unschuld geraubt hat, oder sein Mörder?
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Eigentlich war’s der Nachrichtensprecher.
Herzlichen Dank dir fürs Lesen…
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