Eingebrannt.

Da sind zwei kleine Zwillingsmädchen mit roten Haaren und Sommersprossen, sie tragen luftige Röcke und weiße Strümpfe, sie lutschen an Lollipops und starren mit riesigen leeren Augen ins Nichts; da ist eine Frau, nackt und schön, sie beschmiert ihren Körper mit Schlamm und Dreck, ihre Lippen lachen ein stummes Lachen, doch ihr Blick ist kalt … Weiterlesen Eingebrannt.

Wasserfarbenbild.

Auf einem Flohmarkt siehst du ein Gemälde, ein fürchterlich kitschiges Wasserfarbenbild, es zeigt eine klischeehafte Szene in Paris, mitsamt Metro-Schild und Eiffelturm im Hintergrund, und deine Lider drängen nach unten, um deine Augen vor dem Anblick zu beschützen, doch du wehrst dich, starrst noch einige Sekunde auf das entsetzliche Werk, nicht nur, weil das Hässliche … Weiterlesen Wasserfarbenbild.

Retro.

Früher waren da andere Farben in den Fotos. Da war mehr Gelb, da waren mehr rötliches Braun und mehr bräunliches Rot, da war weniger Blau, und wenn da Blau war, dann ein wärmeres Blau als heute. Die Kleider der damaligen Kinder wirkten dicker und wärmender als die Kleider der heutigen Kinder. Und wenn Bildbearbeitungsprogramme versuchen, … Weiterlesen Retro.

Bild ohne Ton.

In allen Bildern der verlorenen Zeit wohnt ein Klang; manchmal Musik, manchmal das eigene Atmen, laut und müde, manchmal auch nur das Rauschen, das bleibt, wenn alles schweigt. Alle Bilder, real oder irreal, tragen die Möglichkeit einer Geräuschkulisse, alle Bilder lassen sich in Gedanken vertonen. Nur dieses Bild nicht. Das Seil geht mitten durch den … Weiterlesen Bild ohne Ton.

Bruchteile.

Die Finger stolpern zunächst zaghaft über die nackte Haut, beinahe schüchtern, als wäre da eine Gefahr, der sie sich zu erwehren hätten. Sie gleiten vorsichtig über den Hals und die Schulterknochen, suchen sich dann Wege zwischen den Brüsten hindurch zum Bauch, zu den Hüften, zum Schoss. Allmählich werden sie bestimmter, die Bewegungen drängender. Sich zu … Weiterlesen Bruchteile.

Das Böse.

Da ist diese Frau, man begegnet ihr hin und wieder in der Innenstadt; sie ist außerordentlich hübsch, von der Seite betrachtet, doch nicht deshalb fällt sie auf, sondern wegen des Anblicks, den ihr Gesicht offenbart, wenn man den Blickwinkel ändert und sie von der anderen Seite sieht. Dort ist ihr Antlitz entstellt, die Gesichtszüge sind … Weiterlesen Das Böse.

Die Haut wirft Falten.

Wenn er nackt im kalten Badezimmer steht und seinem Körper entlang nach unten blickt, sieht er den Penis eines alten Mannes. Er nimmt ihn zwischen die Finger, dreht und wendet ihn lustlos. Er fühlt sich klein und fremd an, ein absonderliches Ding, die Haut wirft Falten, aber das tut sie am gesamten Körper. Das Hautkleid … Weiterlesen Die Haut wirft Falten.

Knalle.

Beim Urknall war niemand zugegen, um ihn zu hören, niemand kann ihn ermessen, niemand weiß, wie laut er klang oder wie leise. Doch das Gefühl beim Gedanken daran, es erzählt von Größe. Man stand nebeneinander, man sprach miteinander, zueinander, man lachte, man schwieg. Manchmal spürte er, dass sie ihn ansah, während er wegsah. Dann wieder … Weiterlesen Knalle.

Bert und Anita.

Sie war ihm unweigerlich aufgefallen. Schöne Frauen fallen ihm meistens auf, und sie war außergewöhnlich schön, zumindest nach seinem Empfinden. Sie war mit einem Mann im Lokal, der offensichtlich ihr Freund oder Liebhaber war; sie saßen sich gegenüber, einige Meter von Bert entfernt. Immer wieder tauschten sie die Blicke aus, die man aus Filmen kennt, … Weiterlesen Bert und Anita.

Titicacasee.

Die Ehrfurcht vor der Felswand und der Nebel in den verwinkelten Tälern, das weite Schweifen des Blickes und das Stocken des Atems, das Paradies und Paris, all die Orte, von denen sie erzählen, all die Orte, die man sich ausmalt, weil die Schilderungen nur Strichzeichnungen bleiben, all die Orte; die Pyramiden von Gizeh und der … Weiterlesen Titicacasee.

Das relative Meer.

Sie war noch nie am Meer, und wenn sie das sagt, sind die Leute überrascht. Echt jetzt? Aufrichtiges Erstaunen. Wirklich? Der Klang der Stimmen erzählt von Ungläubigkeit und Verwunderung, aber nicht selten auch von einer gewissen Herablassung, von den unliebsamen Seiten des Mitleids, von einem Ungleichgewicht in den Biografien. Danach folgt meistens das Belehrende. Da … Weiterlesen Das relative Meer.

Chiaroscuro.

Da ist dieses Bild, wenn er die Augen schließt, ein Bild von ihr, ein Bild, das keine Flächen kennt, ein Bild mit mehr als zwei Dimensionen, da ist nicht nur Chiaroscuro, da ist mehr als nur die starke Kontrastierung von Hell und Dunkel, da ist die plastische Wirkung eines Bildes, er schließt die Augen und … Weiterlesen Chiaroscuro.

Skizzen im Museum.

Wir sind unscharfe Skizzen, dem Tagebuch entrissen, fein säuberlich aus dem Poesiealbum getrennt, wir sind Zettel mit Worten, mit zerfetzten Gedanken, und setzen wir die einzelnen Teile zusammen, hat das Große und Ganze zumeist keinen Sinn, aber Sinn muss doch sein, sonst ist es kein Leben, kann es nicht geben, sinnlos heißt eben auch meistens … Weiterlesen Skizzen im Museum.

Ungeschrieben.

Die Schwerkraft hat es nicht leicht in den Träumen, sie ist herzlich unwillkommen und bleibt häufig außen vor, und während wir gravitativ und träge in den Betten liegen, wie Blei unter Daunen, entschweben wir der Realität, machen die Nacht zum Tage und uns selbst zu Helden einer Geschichte, die keinem Drehbuch folgt und nirgends geschrieben … Weiterlesen Ungeschrieben.