Beim Urknall war niemand zugegen, um ihn zu hören, niemand kann ihn ermessen, niemand weiß, wie laut er klang oder wie leise. Doch das Gefühl beim Gedanken daran, es erzählt von Größe.
Man stand nebeneinander, man sprach miteinander, zueinander, man lachte, man schwieg. Manchmal spürte er, dass sie ihn ansah, während er wegsah. Dann wieder wandte sie ihren Blick ab, während seiner auf ihren Körper traf, vom Haaransatz an der Schläfe bis zum blassen Rosa ihrer Lippen schlich, von ihrem Hals über die Rundung ihrer Brüste wanderte, über den Saum ihres Rockes auf ihre Beine stolperte und schließlich zu ihrem Gesicht zurückkehrte. Hin und wieder schaute man sich an, die Blicke begegneten sich, und die Augen erzählten eine andere Geschichte als die Stimmen. Irgendwann löste sich der Raum zwischen ihnen auf, verflüchtigte sich einen Moment lang. Eine kurze Berührung nur, eher zufällig und kaum konkret, ein unspezifischer Aussetzer der Zeit. Dann gab es einen Knall, unermesslich laut und zugleich vollkommen still. Doch die Lautstärke war egal. Mancher Klang lässt sich mit Ohren nicht hören.
Ein Blitz zuckte über dem Horizont, leuchtende Fäden zerschnitten den schwarzen Himmel, erhellten die schlafenden Häuser und Wiesen. Man wartete auf den Donner, sehnte das Grollen herbei, Sekunde um Sekunde. Doch der Knall blieb aus. Irgendwann hörte man ein leises Grummeln, aber vielleicht war es auch nur ein Lastwagen auf der fernen Straße.
Er schloss seine Augen, spürte ihre Lippen auf seinen, ihre Körper umflossen sich. Er atmete ihren Duft ein, ihre Haut war warm. Irgendwann kam das Tosen und Brausen, wie eine herannahende Welle in den Weiten des Ozeans. Das Rauschen wurde lauter, ein Krachen kündigte sich an, die Welle kam näher, kam über ihn und fiel in sich zusammen, doch das Krachen, es blieb aus, es gab keinen Knall. Nur Stille blieb zurück, ein leises Pochen unter der Haut. Die Wogen zogen sich zurück, glätteten sich. Irgendwann flüsterte er eine Frage in den Raum, doch anstelle einer Antwort hörte er lediglich ein leises Grummeln.
Er stand in der Mitte eines leeren Raumes, die Wände waren nackt, der Boden kahl. Der Raum, er erzählte keine Geschichte, da war nichts, um sich festzuhalten, da war keine Zeit in diesem Raum. Er hielt ein Glas in den Händen, drehte es in seinen zittrigen Fingern hin und her. Schließlich, nach einem kurzen Umblicken, ließ er es fallen. Er stürzte zu Boden, zersprang in kleine Teile, doch es machte kein Geräusch, es klirrte nicht, der Knall blieb aus.
Der Zeiger zittert, als hätte er Angst vor dem Zenit, als würde er wissen, dass er mit jedem ruckartigen Voranschreiten eine portionierte Gegenwart zerstört. Die Zeit vergeht, ein weiteres Jahr stirbt, nach den letzten Sekunden des Jahres schlägt irgendwo ein Klöppel gegen eine Glocke, und dann brennt der Himmel, tausend Sterne flimmern, grün und rot und weiß, Feuerwerk zu allen Seiten. Erst nach einigen Sekunden stellt man fest, dass man keine Knalle hört, nur das feierliche Läuten der Glocke. Irgendwann hört es auf, nur die Raketen explodieren weiter, stumm und schweigend. Man denkt, dass sie früher immer zu laut schienen, die Feuerwerksexplosionen, doch nun, da sie still sind, vermisst man jeden Knall.

Ein wunderbarer Beitrag, den ich gerne gelesen habe. Komisch, nun warte ich auch auf den Knall, der die Stille durchbricht. Es war wohl dein Beitrag, der diesen Wunsch ausgelöst hat und mich in Erwartungshaltung versetzt hat. Dabei liebe ich die Stille in allen Facetten. Doch eine Stille in ihrer natürlichen Art. Mit allen Lauten, die die Natur uns offenbart. Diese Stille mag ich besonders.
Wünsche dir einen wunderbaren Start in den heutigen Tag
Liebe Grüße
Heike
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Vielen Dank dir! Und ja, es kann wundervoll sein, wie vielschichtig und bunt die Stille zu klingen vermag, und manchmal ist sie lauter als jeder Knall.
Nochmals herzlichen Dank fürs Lesen und für deine Worte, und liebe Grüsse zurück…
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Ganz lieben Dank auch für`s Lesen lassen *lächel*
Die Freude liegt ebenso auf meiner Seite
Liebe Grüße
Heike
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Cooles neues Design: ein Urknall!
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Schön, dass es dir gefällt, lieber Finbar… Danke!
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Aber natürlich fand ich auch deine Kurzgeschichte wieder sehr beeindruckend…
…sind zwei Menschen zusammen, egal wie, dann kann das kleinste Geräusch wie ein Knall wahrgenommen werden, selbst dann, wenn es eigentlich immerzu still ist und der Knall nur in der Vorstellung sich ereignet…
viele Grüße
Finbar
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und fürs Hinhören, hier und überhaupt, mit oder ohne Knall…
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