Man sitzt im Zug, und vor dem Fenster fliegen die Fenster vorüber, kleine gelbe Vierecke, und hinter jedem Viereck eine Welt; irgendwo weint ein Kind, weil es das falsche Geschenk bekommen hat, irgendwo haben zwei Menschen Sex, ohne sich zu lieben, irgendwo lieben sich zwei Menschen, ohne Sex zu haben, irgendwo macht sich ein alter Mann in die Hose und bricht in Tränen aus, irgendwo kommt ein Mensch zur Welt, irgendwo stirbt ein anderer, und das alles und alles andere, ja, das ist ganz normal, ja, so ist das Leben, so ist die Welt, nichts daran ist außergewöhnlich, und vielleicht ist das schade, vielleicht wäre man, als Mensch, als Exemplar der Menschheit, irgendwie zufriedener mit weniger Gewöhnlichkeit, mit mehr Außergewöhnlichkeit, mehr Ungewöhnlichkeit, und vielleicht, ja vielleicht müsste man nur genauer schauen, genauer hinschauen, doch die Fenster, sie fliegen so schnell, man kann gar nichts erkennen, nicht wirklich, alles zieht vorüber, vor allem man selbst, man ist wohl stets nur ein normaler Reisender, bis der Zug irgendwann an der Endstation hält, und dann steht man auf, steigt aus und legt sich hin.

Die Außergewöhnlichkeit wäre doch allein gar nicht auszuhalten. Dann wären wir Sterne und dazwischen kalter Raum. Und im Grunde bereits erloschen, ohne Leben. Nein, das Gemeinsame, ist es auch bisweilen so schmerzhaft belanglos und öde, hat einen Wert.
Ich mag diesen Text sehr. Zur Zeit muss ich kürzeres lesen und so schaue ich zunächst auf die Anzahl der Worte. Denn bei mehr hätte ich gerne Papier. Hier waren es eben so viele Worte, wie es brauchte. Und keines davon mißfiel mir.
Freundlichst
Ihr Herr Hund
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Nein, die Aussergewöhnlichkeit ist wohl allein kaum auszuhalten. Vieles ist allein kaum auszuhalten. Aber vielleicht ist mehr Aussergewöhnliches möglich, am besten gemeinsam. (Und ja, ungeteiltes Sein ist auf Dauer wohl nicht viel mehr als ein Vakuum.)
Es freut mich sehr, dass sie die wenigen Worte mochten. Herzlichen Dank für Ihr Lesen und Ihre Worte, und liebe Grüsse.
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Es gefällt mir, wie du die Überforderung durch das Leben sprachlich wiedergibst, indem du alles in einen nicht enden wollenden Satz packst.
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte. Freut mich, dass dir der Satz gefällt.
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Guten Abend!
Ich vermute, Blog Awards passen nicht hierher, aber in meiner Liste der Favoriten darf dieser hier einfach nicht fehlen.https://ferventcore.wordpress.com/2015/01/20/lovely-blog-award/
Liebe Grüße!
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Ob passend oder nicht, weiss ich gar nicht, jedenfalls hab ich mich bei derartigen Dingen stets gedrückt und werde es wohl auch weiterhin tun, tut mir leid. Umso mehr freut und ehrt es mich, dass du Gefallen findest an den Texten hier.
Schönen Dank dafür, fürs Lesen und für deine Worte. Und liebe Grüsse zurück…
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Und manchmal könnte man das müsste durch ein ich möchte oder ein werde tauschen und der Zug fährt vielleicht ein wenig langsamer.
(PS, ich warte immer noch auf deine Zeilen auf bestem Papiere geschrieben auf meinem Nachttisch 🙂 )
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Und vielleicht müsste man mal wieder mit Postkutschen fahren, wie früher, da bleibt die Geschwindigkeit in Grenzen, oder gleich zu Fuss gehen…
Vielen Dank fürs Lesen und für deine Worte. Und die gedruckte Fassung, hmm, die lässt wohl noch ein wenig auf sich warten…
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Gebe die Hoffnung nicht auf. Und für die Postkutsche gibt’s ein 💛
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