Retro.

Früher waren da andere Farben in den Fotos. Da war mehr Gelb, da waren mehr rötliches Braun und mehr bräunliches Rot, da war weniger Blau, und wenn da Blau war, dann ein wärmeres Blau als heute. Die Kleider der damaligen Kinder wirkten dicker und wärmender als die Kleider der heutigen Kinder. Und wenn Bildbearbeitungsprogramme versuchen, der Gegenwart einen Retro-Filter zu verleihen, bemerkt man den Schwindel zumeist ziemlich rasch. Natürlich lügen auch die alten Bilder, vielleicht noch unverblümter, sie eröffnen einen verklärenden Blick, der möglicherweise eine Sehnsucht ist, vielleicht eine Hoffnung, aber wohl niemals die Wahrheit. Man weiß zumeist um die Täuschung. Doch man lässt sich auf sie ein, bereitwillig und wehmütig.

Man betrachtet die Fotos von damals, blickt auf diese Welt in warmen Farben, diese greifbare Natürlichkeit, weit weg von den unverbindlichen Ideen, die aus allen Kanälen in die Tage der Gegenwart fließen. Man sieht die Reinheit, die Unschuld, konserviert in den Bildern. Und obwohl man sich der Zwischenzeit bewusst ist, obwohl man die Geschichte und die Geschichten kennt, kommt man nicht umhin, dem Damals mehr Substanz zugestehen zu wollen als dem Heute, mehr Freundlichkeit, mehr Innigkeit. Und manchmal fragt man sich, warum das so ist. Und ob es sich dereinst wiederholen wird. Ob man irgendwann die Bilder des Heute betrachten und denken wird, dass da früher andere Farben in den Fotos waren.