Da sind zwei kleine Zwillingsmädchen mit roten Haaren und Sommersprossen, sie tragen luftige Röcke und weiße Strümpfe, sie lutschen an Lollipops und starren mit riesigen leeren Augen ins Nichts; da ist eine Frau, nackt und schön, sie beschmiert ihren Körper mit Schlamm und Dreck, ihre Lippen lachen ein stummes Lachen, doch ihr Blick ist kalt und tot; da ist ein junger Mann, er wickelt sich einen dünnen Draht um den Unterarm und zieht ihn fest, bis die Haut nachgibt und erste Bluttropfen aus den Ritzen dringen; da ist eine Gruppe von Menschen, jeder Einzelne ist elegant gekleidet, und jeder Einzelne trägt eine Maske, trägt das Gesicht eines anderen Menschen; sie stehen einfach da, wie Denkmale, niemand bewegt sich und niemand spricht; da ist ein Betrunkener in schmutzigen Kleidern und mit fettigen Haaren, er torkelt und taumelt durch die Stadt und ruft immer wieder, dass alle Leute Arschlöcher seien und verrecken sollten; da ist ein kleiner Junge mit weißer Haut und schwarzen Haaren, die Lippen sind schmal, das Gesicht ist knochig; in seiner Hand hält er ein Messer, das er langsam hin- und herwiegt, während er aus seinen erfrorenen Augen starrt; da ist eine Balletttänzerin, klein und schmal und zart, und während sie mechanisch über die Bühne tanzt, wird zwischen ihren Beinen der roten Fleck auf der Strumpfhose immer größer und dunkler; da sind drei Muskelprotze in einem Wartezimmer eines Krankenhauses, und die fleischigen Gesichter rahmen Augen ein, die niemals blinzeln und nur reglos auf eine Türe blicken; da ist ein junger Mann mit nacktem Oberkörper, jede seiner Adern scheint aus der Haut zu treten, als wollte sie platzen vor Wut, und an seinen Fäusten färben sich die Knöchel weiß; der Hass quillt aus seinen Poren, bis sich alles entlädt in wilder Raserei; da ist eine junge Frau, und von den zehn Momentaufnahmen ist ihre die einzige, die in der Realität Bestand hat; all die anderen Leute wohnen in ihrem Kopf, nur dort, sie hat sie erschaffen, hat sie geboren, wie eine Mutter ihre Kinder, und die Tatsache, dass der Schrecken nicht aus ihrem Kopf entweichen kann, ist kein Trost, sondern macht den Horror nur noch größer; sie kann nicht fliehen, kann sich nicht abwenden, und wenn sie die Augen schließt, werden die Fratzen und leeren Blicke nur noch deutlicher; sie weiß nicht, woher die Bilder kommen, und sie weiß nicht, wie sie sich wieder verschwinden lassen; sie kann niemandem davon erzählen und das Schweigen höhlt sie aus, so vieles entflieht ihr, nur die Bilder, eingebrannt, sie bleiben im Kopf, unerklärt und bedrohlich und lauernd.

Da hast Du bisher nichts verpasst. Und die Atmosphäre hast Du voll drauf 🙂
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Das erinnert mich irgendwie an diese schrecklich dunkelgrauen skandinavischen Krimis, diese typische Henning-Mankel-Atmosphäre 😉 Gruselig eindrücklich festgehalten!
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Ich hab noch keinen einzigen Skandinavienkrimi gelesen… Vielleicht müsste ich doch mal noch… Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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Mal wieder ein herrlich gruseliges Stimmungsbild. Fühle mich ein wenig an „The Babadook“ erinnert, den ich mal übermüdet und mit flattrigem Nervenkostüm auf nem Langstreckenflug sah.
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Hab den Film noch nicht gesehen, nur davon gehört; jedenfalls scheint’s mir irgendwie nur suboptimale Unterhaltung für Langstreckenflüge… Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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