Ein typographischer Faustschlag. In grossen Lettern stellt eine der auflagenstärksten Zeitungen des Landes die brennende Frage, ob ein semiprominentes Model zu flach sei, also zu kleine Brüste habe. Auch in mir flammt eine Frage auf, ich überlege, welcher Aspekt in mir den grössten Brechreiz auslöst. Dass der Körper einer Frau zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion wird, zu einem Streitfall im Spannungsfeld konträrer Meinungen? Dass Respekt eines der vielen Opfer der Medienmacht ist? Dass eine derartige Meldung die Frontseiten ziert und somit mehr Aufmerksamkeit erfährt als bewaffnete Konflikte oder ökopolitischer Schrecken? Dass solche Themen das Interesse des Publikums offensichtlich heftiger zu kitzeln vermögen als alle anderen? Oder dass mehr über derartige medialen Massenvergewaltigungen geredet wird als über tatsächliche Massenvergewaltigungen in Kriegsgebieten? Alles scheint relativ egal, nur die Brüste sind wichtig, im Kontext von Idealen, die ihrerseits eher fragwürdig sind und Wertmassstäbe ansetzen, wo keine notwendig sind. Die Brüste, um auf die bedeutungsvolle Frage der Zeitung zurückzukommen, die Brüste, sie sind schön, sie passen zum semiprominenten Model, die Natur hat diesbezüglich häufig ein gutes Händchen und bedarf keiner Meinungsumfrage. Ich sehe sie durchaus gern an, die Brüste, und dass ich dennoch gerne kotzen würde, liegt nicht an ihnen, sondern daran, was mit ihnen geschieht.
