Das Bild vor ihm ist bunt, eine Welt aus Kaugummi und Regenbogen, die Farben sind hell und grell. Er weiß durchaus, dass dies nicht die Realität ist, sondern nur eine minutiös geplante Illusion. Er weiß, dass die Menschen, die er auf dem Bildschirm sieht, zwar echt sind, sich aber nur einer Inszenierung hingeben und eigentlich nur ihren Körper als Projektionsfläche zur Verfügung stellen. Er weiß, dass Talentshows nicht satt machen. Er weiß, dass die Frau, die gerade auf dieser viel zu großen Bühne steht, sehr gut singt, und er glaubt sogar, dass die Geschichte, die sie zuvor erzählt hat, zumindest in Teilen wahr ist. Dass der Frau schreckliche Dinge widerfahren sind, steht ihr ins Gesicht geschrieben, und dass während ihrer zweiten Schwangerschaft ihr geliebter Mann bei einem Unfall ums Leben kann, sie daraufhin eine Fehlgeburt erlitt und danach ihr erstes und einziges Kind alleine und in ärmlichen Verhältnissen aufgezogen hat, ist natürlich denkbar und lässt sich vielleicht sogar aus den dunklen Schattierungen ihrer Stimme herauslesen. Trotzdem weiß er genau, dass er gerade manipuliert wird. Und als der Song vorbei ist und die Juroren applaudiert haben und darauf die Tochter scheinbar spontan auf die Bühne stürmt, um ihre Mutter zu umarmen, weiß er, dass auch das genau so beabsichtigt ist. Und eigentlich will er nicht zulassen, dass in seinem Hals etwas krampft, er will nicht zulassen dass dieser berechnende Druck auf die Tränendrüsen tatsächlich den gewünschten Effekt erzielt. Er findet Weinen gut und wichtig und wertvoll, aber in diesem Zusammenhang mag er es nicht anerkennen, vor allem, weil er schließlich beim täglichen Schrecken, den die Nachrichten zeigen und der ein Vielfaches fürchterlicher und trauriger ist, keine Träne vergießt. Er will sich nicht manipulieren lassen, will seine Gefühle nicht manipuliert wissen. Trotzdem gelingt es ihm nicht, die Augenwinkel trocken zu behalten. Und während er seinen Kopf ganz leicht zur Seite dreht, damit das feuchte Glitzern im Dunklen verbleibt, weiß er nicht genau, ob er den Sender wechseln soll, ob er die Menschen verfluchen soll, die ihn und seine Gefühle manipulieren, oder ob er einfach froh sein soll, dass er überhaupt Gefühle hat, die manipuliert werden können.

und doch könnte es wahr sein, was er sieht, was er fühlt… Wo steckt die Wahrzeit?
Ich meide auch die meisten Sendungen, von denen ich denke, sie manipulieren und deshalb verpasse ich da viel. Aber es ist nicht wichtig.
An anderer Stelle läutet die Realität und da gibt es Wahrzeit und Unwahres. Das reicht.
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Wo die Wahrheit steckt (gerade beim Fernsehen), ist überhaupt ziemlich schwierig zu erkennen. Und die Wahrzeit (war das „z“ bewusst oder unbewusst?), sie ist ein wunderbar schönes Wort, irgendwie… Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Gedanken, liebe Bruni…
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Das Dingens mit den TV-Medien ist furchtbar,
ich mache es, lieber Disputnik, seit einiger Zeit
so, wie mir das Jon Kabat-Zinn mal vor einiger
Zeit bei einem Achtbarkeitsseminar ins linke Ohr
geflüstert hat: Weg mit dem Fernsehen…
…und es tut seither soooo gut, nicht mehr TV-manipuliert
zu werden!!
Liebe Morgengrüße vom Finbar
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Hin und wieder lasse ich mich eben durchaus gerne manipulieren… Aber vielleicht wird’s mir dann auch irgendwann mal zu blöd, keine Ahnung… Lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, lieber Finbar, und herzliche Grüsse zurück…
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Ich versuche das zu verhindern, wo es nur geht, lieber Disputnik, Manipulation hat was mich angeht einen ganz üblen Beigeschmack…
Nicht zu fernsehen gibt einem viel verlorengegangene Zeit zurück und das ist ganz wundervoll!
Herzliche Morgengrüße vom Finbar
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In letzter Zeit, lieber Finbar, übermannt mich nach wenigen Minuten vor dem Fernsehgerät sowieso der Schlaf, darum hält sich die Manipulation auch bei mir in Grenzen…. Herzliche Grüsse zurück…
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Super, lieber Schreibfreund, dann sorgt ja dein vegetatives Nervensystem sich wundervoll und bestens um dich!
Dir ein schönes Wochenende wünsche,
liebe Herbstsonnengrüße vom Finbar
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„…weiß er nicht genau, ob er den Sender wechseln soll, ob er die Menschen verfluchen soll, die ihn und seine Gefühle manipulieren, oder ob er einfach froh sein soll, dass er überhaupt Gefühle hat, die manipuliert werden können.“
Das muss sich ja nicht ausschließen…
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Nein, da hast du Recht, das muss es nicht… Lieben Dank dir fürs Lesen!
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Schöne Umsetzung der inneren Zerrissenheit. Ja, wir sehen, was wir sehen wollen, auch wenn wir wissen, dass es wohl anders ist.
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Vielen Dank dir, fürs Lesen und Hinsehen und für deine Worte…
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