Es ist schön warm im Wohnzimmer, ein schönes, warmes und wohnlich gezimmertes Leben, und während wir billigen Wein aus nicht ganz billigen Gläsern trinken, sterben die Menschen im Fernsehen, sterben in den Zeitungen und im Internet, und wenn etwa einige Dutzend Personen in amerikanischen Metropolen einem Sturm zum Opfer fallen, ist die Betroffenheit groß, obwohl es sie für uns gar nicht geben kann, wir sind in keiner Weise betroffen, und dennoch bemühen wir uns, schockiert zu wirken, nur um bald darauf zu mahnen, dass in solchen Fällen großer Aufruhr entsteht, während in anderen Regionen der Welt Hunderte und Tausende gewaltsam ums Leben kommen, ohne dass vertieft darüber berichtet wird, und es scheint klar, dass Amerikaner viel lauter sterben als Afghanen, dass man in Westeuropa viel geräuschvoller zu Tode kommt als in Osttimor, die Wohnregion entscheidet, ob man auf Titelseiten stirbt oder höchstens in knappen Agenturmeldungen, und schnell rügen wir die Medien für ihre einseitige Berichterstattung, natürlich zu Recht, doch nicht erschöpfend, denn während wir uns in Titelgeschichten vertiefen, häufig die gleichen Inhalte in leicht veränderten Worten lesen, kommen wir bei Kurzmeldungen oftmals nur bis zur Headline, denn wir konsumieren nicht nur das, was uns vorgesetzt wird, sondern vor allem das, was wir tatsächlich konsumieren wollen, und vielleicht müssen wir uns mit Betroffenen möglichst gut identifizieren können, um Betroffenheit zu zeigen, und womöglich ist dies bei Amerikanern und Europäern einfacher als bei Armeniern und Eritreern, dennoch müsste der billige Wein wohl leicht bitter schmecken, doch das tut er nicht, er schmeckt ganz gut im schön warmen Wohnzimmer.

Ein ganz wichtiger, dringender Text. Ich bin angetan, dass du ihn zu Papier gebracht hast. Es ist unumgänglich, diese Diskrepanzen zu thematisieren. Auch wenn es einer merklichen Anstrengung bedarf.
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Besten Liebdank für deinen Kommentar. Die Anstrengung, naja, sie ist eigentlich nicht sonderlich groß. Oder sollte es zumindest nicht sein.
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