Man weiß gar nicht genau, wie es begann, doch wahrscheinlich mit verschmähten Avancen. Ein Mann fand Gefallen an der Frau, was angesichts ihrer langen schwarzen Haare, ihres schönen Antlitzes und ihrer wohlgeformten Statur durchaus nachvollziehbar schien. Sie hingegen zeigte sich nicht sonderlich interessiert, und als er zudringlich wurde, wies sie ihn mit einem herzhaften Tritt zwischen die Beine in die Schranken. Getrieben von Schmerz und dem Nachgeschmack der Ablehnung sann er auf Rache. Eine erneute physische Konfrontation wagte er nicht, darum beschloss er, zu verkünden, sie sei eine Hexe.
Zuerst schenkte man seinen Rufen keinen Glauben. Doch als er unaufhörlich und bei jeder Gelegenheit darüber sprach, wuchs das Interesse. Sein Umfeld hatte er bald überzeugt, immer mehr Leute begannen, seine Meinung zu teilen und zu verbreiten. Nachdem sich eine veritable kleine Bewegung gebildet hatte und der Feldzug gegen die Hexe immer mehr Raum für sich beanspruchte, griffen auch die Medien das Thema auf. Irgendwann war ihr Bild auf einer Titelseite, die Schlagzeile enthielt das Wort Hexe und endete mit einem Fragezeichen. Und nur wenige Tage später war das Fragezeichen zu einem Ausrufezeichen geworden.
Man las von verwerflichen Handlungen, von unmoralischem Benehmen, von sexuellen Kontakten mit Tieren, von der ruchlosen Verführung treuer Ehemänner und von verschwundenen Kindern. Beweise oder zumindest Indizien zur Untermauerung der Behauptungen existierten nicht, doch niemand schien sich daran zu stören, viel zu laut war der Aufschrei der Empörung. Die allgemeine Meinung war gemacht, sie stand geschrieben, schwarz auf weiß, daran konnte man sich festhalten.
Der Hexe wurde zwar die Möglichkeit gestattet, sich zu den Vorwürfen zu äußern, man war sich aber rasch einig, dass alles, was sie sagte, eine Ansammlung von Lügen war. Das Urteil war schnell gefällt, ebenso einige Bäume, und bald war der Scheiterhaufen errichtet. Die Menschen strömten aus allen Teilen des Landes herbei, um dem Ereignis beizuwohnen.
Die ersten Fackeln waren längst entzündet, als sich ein kleiner Junge nach vorne drängte und lauthals verkündete, dass sich bei der Frau mitnichten um eine Hexe handelte. Sie sei eine vollkommen normale und liebenswerte Person. Daraufhin meldete sich ein blondes Mädchen zu Wort und meinte, die Frau sei mit Bestimmtheit keine Hexe. Vereinzelt waren weitere Stimmen zu hören, die Zweifel anmeldeten und davon sprachen, dass alles ein schrecklicher Irrtum sei, doch immer mehr gingen sie im Geschrei jener Leute unter, die noch immer überzeugt waren, dass sie eine Hexe war und zurecht auf dem Scheiterhaufen stand. Der kleine Junge und das blonde Mädchen wurden eilig aus der Menge entfernt und an weiteren Äußerungen gehindert. Die Zeremonie wurde zaghaft fortgesetzt, eine gewisse Unruhe war zu spüren, doch schließlich brannte das Holz, die Flammen breiteten sich aus. Die Hexe weinte und schrie, vergeblich versuchte sie ihre Fesseln zu lösen. Irgendwann verstummte ihre Stimme.
Als nur noch einige Rauchschwaden aufstiegen, leerte sich der Platz allmählich. Die Menschen gingen nach Hause, mit gesenkten Köpfen und erstarrten Gesichtern. Die Hexe war tot. Anderes war schon lange zuvor gestorben. Zurück blieben ein merkwürdiger Geschmack auf den Zungen und ein mulmiges Gefühl in den Knochen.

ja, verbrannte Wahrheiten, damit sie nicht weiterwandern. Ich wußte genau was Du wolltest,. aber diese sogenannten „Hexen“verfolgungen haben mich als Jugendliche mal so geschockt, daß ich sie nie mehr vergessen habe und ich gestehe, ich schieße mich immer sehr darauf ein, wenn ich davon lese und bin dann nicht mehr zu bremsen…
So ist das mit mir…
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Soso, so ist das mit dir 😉
Tut mir leid, dass die Hexenverfolgungen und -verbrennungen sich bei dir so sehr eingebrannt haben; verständlich ist es aber durchaus… Liebe Grüsse dir…
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oh, da fehlt ein Wort!
das Wort ZEIT fehlt in meinem letzten Satz. Kannst Du es bitte einsetzen? Ich danke Dir sehr. LG von mir
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Leider kannte kaum einer und kaum eine, die den Hexenverbrennungen zusahen, dieses mulmige Gefühl in den Knochen, es gab so wenig Abwechslung, sie fanden es spannend einen weiblichen Menschen brennen zu sehen und sie verbrannten die , die unbequem waren, die Witwen, die Geld hatten, denn sie wollten sich deren Besitztümer aneignen, sie verbrannten die, die unbequem waren und die zu schönen und die zu klugen, alle die, sie wertvoll waren und die Kassen der Kirchen füllten sich. Und sie verbrannten die, die helfen konnten, den Frauen, die sonst bei den Geburten starben… http://wortbehagen.de/index.php/gedichte/2007/juli/gesponnene_seide
Lieber Disputnik, bei diesem Thema bleibe ich nie sehr ruhig, weil es eine entsetzliche Zeit für die Frauen der damaligen war und sie dauerte lange
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Es sind nicht längst nicht nur die Hexen, die brennen und brannten, auf dem Scheiterhaufen stehen allzu viele und vieles, mitunter auch die Wahrheit… Es ging mir eigentlich nicht um Hexen und ihre Verfolgung, eher um das laute Geschrei in der Gesellschaft, in der Politik und den Medien, das so vieles übertönt, unter anderem eben häufig auch die Wahrheit… Vielen lieben Dank für deine Worte, liebe Bruni…
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