Da war nichts, sagt er sich. Trotzdem richtet er sich auf, bleibt einige Sekunden lang starr und angespannt, wartet ab, ob er nochmals etwas hört. Doch alles ist ruhig, das Haus ist still. Da war wohl tatsächlich nichts.
Er blickt auf die Digitalanzeige seines Weckers. 2:11, sagen die roten Ziffern. Er weiß nicht genau, ob er wirklich geschlafen hat. Es war wohl eher ein Dösen. Halbschlaf. Die Zeit kriecht.
Dann hört er es erneut. Ein Knarren, relativ langgezogen. Kein Knacken im Gebälk, eher ein Stöhnen der Holzdielen im Fußboden. Wieder hebt er seinen Kopf, richtet sich auf und lauscht aufmerksam. Das Haus bleibt still. Da war nichts, sagt er sich.
Es ist ein altes Haus, spröde Bretter und trübe Fenster rundum. Müde und trostlos steht es am Waldrand, ziemlich weit weg von der nächsten kleinen Siedlung. Er mag die Ruhe hier, er hat sie gesucht, nach all dem Lärm und dem Getöse zuvor. Sein Leben war ziemlich krachend zerfallen, der Staub hängt noch in der Luft. Das alte Haus war und ist sein Fluchtpunkt, sein Refugium.
Das nächste Knarren ist lauter, ihm folgt ein weiteres Geräusch. Er schreckt hoch und spürt seinen Puls im Hals, das Pochen im Ohr. Er setzt sich an die Bettkante und überlegt, ob er nach unten ins Erdgeschoss gehen soll, wo das Geräusch herzukommen scheint. Er hat keine Angst, versichert er sich. Keine Angst. Trotzdem lässt ihn ein merkwürdiges Gefühl leicht erzittern. Irgendwie kommt er sich dumm vor.
Er hatte den Klang der Stille nahezu vergessen, die Welt war ungestüm durch sein Leben gerumpelt. Manchmal hatte er nicht einmal mehr seine eigene Stimme hören können. Hier im alten Haus hatten sich seine Ohren erst wieder an die Leerstellen gewöhnen müssen.
Als es erneut knarrt, steht er ruckartig auf, wankt kurz, drückt seinen Körper an den Türrahmen des kleinen Schlafzimmers und versucht, trotz seiner Unruhe möglichst lautlos zu atmen. Wieder hört er das Knarren, viel zu ausgeprägt, als dass es lediglich das alte Holz sein könnte, das sich dehnt und streckt. Trotzdem; da ist nichts, denkt er sich. Ganz sicher, denkt er sich. Und glaubt sich selbst nicht.
Eigentlich wäre es ihm egal gewesen, wenn damals alles aufgehört hatte. Es gab nichts mehr zu verlieren, da waren nur noch Trümmer übrig. Trotzdem machte er weiter. Fand das alte Haus. Und ein kleines bisschen Mut.
Wieder hört er das Geräusch. Ein Schwindelgefühl erfasst seinen Körper, er klammert sich an den Türrahmen. Was ist, wenn da tatsächlich jemand ist? Was soll er tun? Er atmet, nun viel zu laut. Da war nichts. Ganz sicher. Da war nichts. Natürlich könnte er das Licht einschalten. Er könnte rufen. Er könnte nach unten gehen. Doch er mag sich kaum bewegen, verharrt an Ort und Stelle. Die Gewissheit, er wird sie nicht vermeiden können. Nur verschleppen, verzögern, aufschieben. Also wartet er.

… und jetzt noch 200 weitere Seiten voller Spannung und das Drehbuch für einen 1007. Tatort ist fertig!
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Ich glaub, da wären Millionen von Fernsehzuschauern ziemlich enttäuscht… Danke dir fürs Lesen und für deine Worte!
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Es müssen ja nicht immer Tote vorkommen im Tatort, ein wenig Gruseln reicht doch aus!!!
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Ich könnte allenfalls die Zuschauer zu Tode langweilen, dann wär ich selbst der Mörder…
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Und dann …?
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Naja, hier ist die Geschichte zu Ende, darf aber im Kopf des Lesenden gern noch fortgeführt werden… Danke dir fürs Lesen!
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