Sie erzählt davon, wie sie am Vorabend nackt ins Wasser gesprungen sei, an jener Stelle, an welcher der Kanal in den See mündet, und wenn dann jemand sagt, er sei am Vorabend auch dort gewesen, an eben jener Stelle, den ganzen Abend lang, dann ist sie leicht irritiert, aber nur kurz, ach, dann haben wir uns wohl ganz knapp verpasst, haucht sie, und dann wechselt sie das Thema, das tut sie häufig, beinahe so, als würden ihre Gedanken sich auf Eis bewegen, nach links rutschen, nach rechts rutschen, hin und her, oder so, als würde sie unerlässlich von Punkt zu Punkt fliegen, einer nervösen Stubenfliege gleich, scheinbar nicht in der Lage, längere Zeit an einem Ort zu verweilen, und schon bald berichtet sie von der Begegnung mit jenem ungemein charmanten und gutaussehenden Barkeeper, der für sie diesen umwerfend guten Cocktail gemixt habe, süß und dennoch herb, irgendwie geheimnisvoll, und dann habe er ihr versprochen, einen Cocktail, genau diesen Cocktail nach ihr zu benennen, eine so schöne Frau verdiene einen eigenen Cocktail, habe er gesagt, und wer in einem Jahr in jene Bar gehen und nach einem Cocktail fragen sollte, wird zur Antwort erhalten, dass man einen solchen Cocktail nicht kenne und entsprechend auch nicht im Angebot habe, doch im Moment lässt sich nicht widerlegen, dass die Möglichkeit besteht, also hat jede Widerrede keinen Zweck, man tut so, als würde man ihr glauben, und ihr genügt es wohl, denn sie lächelt, mit Nuancen von Triumph in den Augenwinkeln, und dann beschreibt sie jene Begebenheit, als der Sänger einer Rockband sie einmal bei einem Konzert aus dem Publikum auf die Bühne gezogen habe, um ihr ein Lied zu singen, er habe sie nach ihrem Namen gefragt und dann eben diesen Namen in den Text eingearbeitet, und dann erzählt sie davon, wie ein Fotograf sie angesprochen und darum gebeten habe, sie fotografieren zu dürfen, denn sie sei eine natürliche Schönheit, ganz und gar außergewöhnlich, sie könnte Karriere machen, doch sie habe dankend abgelehnt, sie wolle nicht auf das Äußere limitiert werden, und überhaupt wisse man ja, welche Absichten manche Männer hinter solchen Versprechungen verbergen, und dann spricht sie ganz offen über jene Begebenheit in der nächtlichen Stadt, als ein fremder Mann sie bedrängt, ihr an die Brüste und unter den Rock gegriffen habe, bis sie sich habe losreißen und ihm zwischen die Beine treten können, und dann redet sie über jenen Moment, in dem sie ein kleines Mädchen, das ohne sich umzusehen über die Straße gehen wollte, gerade noch zurückzuhalten vermocht habe, bevor es vom herannahenden Bus erfasst worden wäre, und vielleicht stimmt das alles und vielleicht auch nicht, wer weiß, es war nie jemand bei ihr, als sich derartige Dinge ereigneten, und irgendwann sitzt sie zu Hause auf einem Sessel, der bequem aussieht, es aber nicht ist, trägt unter ihrem Kleid einen BH, der an den Bügeln und beim Verschluss unangenehm ins Fleisch schneidet, hält eine Tasse in der Hand, bis sie bemerkt, dass der Kaffee längst kalt ist, also stellt sie die Tasse weg und beginnt, mit der rechten Handfläche immer wieder über ihren linken Unterarm zu reiben, heftig und beinahe verbissen, als wäre ihr die Haut eine Bürde, eine quälende Last; unaufhörlich schiebt sie die Hand über den Arm, und vielleicht fragt sie sich, was sie den Leuten noch erzählen soll, aber womöglich ist es ihr auch endlich einmal egal.

Ich habe bei dieser Geschichte regelrecht Gänsehaut bekommen!
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Oh, das freut ich sehr… Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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