Die Vase. Sie steht auf dem Tisch, scheinbar robust, mit Mustern bemalt, mit Blumen gefüllt. Wo sie ist, gehört sie hin, es ist ihr Platz in der Welt. Doch dann, vielleicht eine unglückliche Bewegung, ein unsachgemäßer Umgang, eine Unachtsamkeit, und die Vase, sie fällt zu Boden, zerbricht in einzelne Teile, kleine Fragmente splittern ab. Scherben auf kaltem Stein. Sie lässt sich reparieren, mit Geduld und dem richtigen Klebstoff, mit ruhiger Hand und präzisem Manöver. Auf den ersten Blick sieht sie gut aus, die Vase, doch die Risse, die Wunden, sie bleiben erkennbar, bleiben spürbar. Und beim nächsten Zwischenfall reicht ein Umkippen, um die Narben aufzureißen, vielleicht zu sehr, um jemals heilen zu können.
Das Vertrauen. Es könnte eine Vase sein, ebenso die Liebe. Es lassen sich prägnante Sinnbilder malen mit Vasen, die Symbolik ist offensichtlich. Doch vielleicht muss die Vase nicht aus Porzellan sein. Womöglich ist sie aus Email gefertigt, und wenn sie fällt, ja, dann fällt sie laut scheppernd, aber nicht klirrend. Womöglich bleiben beträchtliche Dellen zurück, für immer, doch die Vase, sie zerbricht nicht. Sie hält stand. Und erst, wenn sie unansehnlich geworden ist und kaum mehr stehen kann, müsste sie weg, vielleicht erst dann, wenn nichts mehr blüht.
Die Hoffnung. Wäre sie eine Vase, aus welchem Material bestünde sie?

In Hesses Steppenwolf gibt es eine Szene im Magischen Theater:
Harry Haller ist aufgefordert in einen Spiegel zu sehen und sich selbst zu verlachen (und damit sein Alter Ego zu töten).
Der Spiegel zerspringt in tausend Scherben und zeigt die Teile aus denen Harry in vielen kleinen Bruchstücken.
In einer anderen Szene (und wenn ich mich recht erinnere hängen beide Szenen zusammen) wird Harry erklärt, dass er mit den vielen kleinen Teile aus denen er besteht beliebig spielen kann und sie zum immer neuen Kompositionen kombinieren kann, so wie ein Schachspiel zwar immer aus den gleichen Figuren besteht, sich daraus aber immer neue Partien gestalten lassen.
Scherben sind also nicht nur ein Zeugnis von Zerstörung sondern auch die Chance sie zu etwas ganz Neuem zu kombinieren.
Die Hoffnung…. ich glaube sie besteht keinem bestimmten Material,
sie besteht aus Visionen aus Mut, aus Kraft aus Scherben neues zu formen,
und manchmal auch daraus den Scherbenhaufen zusammen zu fegen und zu entsorgen oder liegen zu lassen wie er ist und einfach nach Neuem Material zu suchen.
Suchen….. ach…das ist ein Kapitel für sich.
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Sehr schön, deine Gedanken, vielen Dank!
Die Bilder aus dem Steppenwolf, in ihnen liegt viel Tiefe und Wahrheit. Jedoch stellt sich wohl stets die Frage, ob man überhaupt etwas ganz Neues schaffen möchte, ein neues Spiel beginnen will. Manchmal sind die Scherben notwendig, um überhaupt weitermachen zu können, irgendwie. Doch manchmal ist das Bestehende zu kostbar, um es einfach fallen und in Scherben zerspringen zu lassen. Trotzdem, fällt mir ein, ich sollte den Steppenwolf mal wieder lesen.
Wir hinterlassen wohl alle Scherbenhaufen auf unseren Wegen, und wahrscheinlich muss das so sein, womöglich sind Scherben gut fürs Fundament, auf dem sich auf- und weiterbauen lässt.
Nochmals; danke!
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Lieber Disputnik, dann möchte ich Dir ganz wämstens die Hörspielfassung empfehlen:
http://www.amazon.de/Der-Steppenwolf-CDs-Hermann-Hesse/dp/3895849812
Sehr schön gemacht und großes Kopfkino.
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Danke für den Tipp, Joachim!
Zwar bin ich in Hörbuchhandlungen nicht gerade Stammgast und lasse mir Bücher meist von den eigenen Stimmen in meinem Kopf vorlesen, irgendwie. Aber vielleicht würde es sich hier lohnen… Danke!
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http://sdrv.ms/VvgKzX
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!!!
Danke!
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Bitte. Sehr.
Und vielleicht hinterlässt Klebstoff einfach zu viel Spuren. Ton lässt sich nachmodellieren und Engobe gibt ihm eine neue Farbe, vielleicht auch ein neues Muster. Sie verändert sich, ist aber noch immer die Alte.
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Schön. Und gut. Das Sein und Bleiben trotz Veränderung.
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vllt aus balsaholz?
vasen als sinnbilder für vertrauen, liebe …
warum nicht! ich bin sicher es gibt ebenso viele formen und farben und schattierungen, zerbrechliches, bedellbares auf der einen wie auf der anderen seite …
auf jeden fall … ist diese kleine lavendelvase sehr schön …
und, du, ich kann den duft bis hierher wahrnehmen …
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Holz wäre gut, Metall auch, sieht aber wohl unschön aus. Und vielleicht ist’s sowieso empfehlenswerter, auf die Vasen besser acht zu geben.
Schön, dass der Duft bis zu dir reicht. Und schön, deine Worte hier lesen zu dürfen. Danke. Sehr.
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