Sie steht auf einem Stein. Es ist kein großer Stein, auch kein außergewöhnlich schöner, dennoch hatte sie das seltsame Bedürfnis, sich auf diesen Stein zu stellen. Sie sieht nicht mehr von der Welt um sie herum, sie steht auch nicht höher als andere, denn sie ist allein. Irgendwie braucht sie diese erhöhte Position, um sich umzublicken, sich umzublicken in ihrem Leben.
Sie denkt daran, was bisher war, was sie verloren hat, und dann weint sie. Da sind so viele Löcher in ihrem Herzen, sie kann sie kaum zählen und ebenso wenig begreifen, und sie fragt sich, wie es überhaupt noch schlagen kann, das perforierte Herz. Doch das tut es, ruhig und gleichmäßig. Wenn sie den Atem anhält, kann sie es hören. Sie kennt den Schmerz, der zu den Löchern geführt hat, aber sie weiß, dass es diese Löcher braucht, um die Wege weiterzugehen. Trotzdem hadert sie mit den Löchern. Ein Loch im Herzen ist ein Makel, denkt sie.
Sie liegt auf einem Stein und betrachtet ihn. Er ist unförmig, zerfurcht, voller Wunden der Jahrtausende, die Oberfläche porös und rau. Manche Kanten scheinen abgesplittert, an anderen Stellen wuchern Moos und eine undefinierbare graue Schicht. Sie ist froh, hier zu liegen, es ist ein guter Stein. Wäre er anders, wäre nichts anders in der Welt, nur der Stein würde nicht mehr reinpassen. Ein Windhauch trocknet allmählich die feuchten Wangen.
