Ein Mann, jung, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. Nichts an ihm ist außergewöhnlich. Er steht im Treppenhaus der Gesellschaft wohl eher auf den unteren Stufen, aber doch oberhalb des Erdgeschosses oder gar des Kellers. Er ist unauffällig, dennoch fällt er mir auf, denn er trägt meinen Pullover. Zumindest besaß ich einst den gleichen.
Ein Freund aus Schultagen meint, mein Pullover sehe aus wie das Testbild im Fernsehen, mit seinen bunten Streifen. Ich lache. Ich muss, denn alle anderen lachen ebenfalls.
Ich kaufe einen Pullover, gleich zwei davon, in leicht unterschiedlichen Farben. Das Modegeschäft bietet relativ ansehnliche Kleidung zu günstigen Preisen. Produziert in Billiglohnländern, vielleicht sogar in Kinderarbeit. Die Stimme meines Geldbeutels ist lauter als die Stimme meines Gewissens. Ich beiße auf meine Unterlippe und fühle mich ungut, doch die Pullover gefallen mir.
Im schwachen Schein einer Stehlampe sitze ich auf der Couch, allein, es läuft melancholische Musik, doch ich höre sie nicht. In meiner Hand ein Küchenmesser, mein Finger streicheln die Klinge. Ich blute, aber nur leicht. Es tut nicht weh.
Ein Pullover landet im Mülleimer. Er ist an einer Seite zerschnitten. Ich könnte das Loch nähen, doch es würde bleiben. Es bleibt auch so.
Der Pullover des Mannes ist verwaschen, scheint aber unversehrt. Es gefällt mir, der Pullover, noch immer, und er passt zum Mann, der ihn nun trägt. Meine Hand gleitet langsam über meine Brust, auf Höhe des Herzens. Vielleicht ist da noch ein Loch, aber im Moment spüre ich es nicht.
