Ich war noch nie in Moçambique, nicht annähernd, und ich bezweifle, dass ich jemals nach Moçambique reisen werde. Ich weiß nichts über Moçambique, kenne weder politische Zustände noch soziale Situation, weder klimatische Bedingungen noch geologische Gegebenheiten. Keiner meiner Freunde stammt aus Moçambique, und ich nehme an, dass auch keiner der Freunde meiner Freunde seine Wurzeln in Moçambique hat. Moçambique ist in meiner Welt praktisch nicht existent. Ich könnte mich über Moçambique informieren, könnte Bücher kaufen und im Internet forschen, könnte nach Dokumentarfilmen Ausschau halten und mir einen Brieffreund aus Moçambique suchen, doch ich tue es nicht. Man könnte annehmen, Moçambique sei mir egal, und wahrscheinlich hätte man recht.
Ich war noch nie bei meinem Nachbarn, und ich bezweifle, dass ich ihn jemals besuchen werde. Ich weiß nichts über ihn, kenne nicht einmal seinen Namen, lediglich sein Gesicht und sein Auto. Es ist unwahrscheinlich, dass er jemals in Moçambique war, und ich bin ziemlich sicher, dass er nicht aus Moçambique stammt. Wäre dies jedoch der Fall, ich würde ihn vielleicht auf Moçambique ansprechen, würde ihn fragen, wie es sich dort lebt und wovon man träumt. Doch mein Nachbar kann mir nichts über Moçambique erzählen, er ist offensichtlich im gleichen Land geboren wie ich, wohnt nur einige Meter von mir entfernt, ist mir aber dennoch mindestens so fremd wie Moçambique, und ich wüsste nicht, weshalb ich mit ihm reden sollte. Man könnte annehmen, mein Nachbar sei mir egal, und wahrscheinlich hätte man recht.

Da wohnt man seit 3 Jahren 3 Meter entfernt über oder unter einem Menschen in einem größeren Haus, und weiß nicht mehr als den Namen. Mehr als ein kurzes Hallo im Treppenhaus ist nicht drin. Ich frage mich, ob das nur in Deutschland so ist.
Danke für diesen denkwürdigen Artikel.
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Ich bezweifle es, in der Schweiz ist es jedenfalls ähnlich, und auch in den meisten anderen sogenannt hoch entwickelten Ländern dürfte es nicht anders sein – offenbar ging diesbezüglich die Entwicklung in eine falsche Richtung. Auch wenn es ja nicht immer so sein muss, aus Nachbar- kann durchaus auch Freundschaft werden. Trotzdem, räumliche Nähe führt nicht zwingend zu persönlicher Nähe, allzu häufig ist das Gegenteil der Fall…
Oh, und danke fürs Lesen und Gedankenteilen…
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