Der Exorzismus von Elisabeth.

Elisabeth war ein ganz normales Mädchen. Eine Geschichte, die mit diesen Worten beginnt, wird im weiteren Verlauf mit großer Wahrscheinlichkeit in die Erkenntnis münden, dass es sich bei besagter Elisabeth eben nicht um ein ganz normales Mädchen handelte. So auch diese Geschichte. Denn Elisabeth war zwar tatsächlich ein ganz normales Mädchen. Doch eine kleine Eigenheit … Weiterlesen Der Exorzismus von Elisabeth.

Was fällt ihnen ein.

Er blättert in einer Zeitschrift, die Schrift der Zeit, die Zeit in Schrift und auch in Bildern, und einige dieser Bilder lassen ihn hadern und verzagen. Wie er sie verabscheut. Eine stilisierte Aufnahme zeigt notleidende Kinder aus einem afrikanischen Land, sie lachen in die Kamera, und er malt sich aus, wie seltsam und aufregend es … Weiterlesen Was fällt ihnen ein.

Rauschen, Schweigen.

Da sind Linien in der Haut der Bäume, tief eingekerbte Namen von Liebenden, und die Bäume schreien stumm, sie haben keine Stimme, und alles, was man hört, ist Rauschen. Da sind Linien in der Haut der Körper, tief eingekerbte Dramen von Leidenden, und die Körper schreien stumm, sie haben keine Stimme, und alles, was man … Weiterlesen Rauschen, Schweigen.

Der kleine Unterschied.

Nur wenige Themen scheinen für Autoren von humoristisch angehauchten Sachbüchern so interessant zu sein wie die Unterschiede zwischen Mann und Frau. Ob gut zuhörend oder schlecht einparkend, Bier saufend oder Schuhe kaufend, Gefühle zeigend oder verbergend, kopulierend oder kuschelnd – was man fühlt und tut, hängt ausschließlich davon ab, ob sich zwischen den Beinen ein … Weiterlesen Der kleine Unterschied.

Die Fackel hoch.

Am Anfang war alles so einfach, so widerstandslos, jeder Schritt war ein Schritt nach vorne, hinein in eine Verheißung, die sich jeden Tag aufs Neue erfüllte, und die Sonne schien ihr warm in den Rücken, die Sonne schien ihr warm ins Gesicht, dann blinzelte sie jeweils kurz, und alles blieb sich gleich, blieb gleich gut, … Weiterlesen Die Fackel hoch.

Maziar Bahari.

Er saß 118 Tage lang im Gefängnis. Ein Verbrechen begangen hat er nicht, kein Gesetz gebrochen, weder gegen ethische noch gegen moralische Grundsätze verstoßen. Er wollte lediglich Bericht erstatten, denn das ist sein Beruf, Berichterstatter, Journalist. Sie sperrten ihn ein, weil sie glaubten, er sei ein Spion. Verhörten und folterten ihn, täglich. Während seine Frau … Weiterlesen Maziar Bahari.

Gegen den Strom.

Sie will liegen, wo noch niemand lag. Sie will tun, was ungetan geblieben ist, will unterlassen, was sich kaum vermeiden lässt. Sie will auf Bäume klettern und in Seen tauchen und auf Feldern sitzen, und sie will immer zuerst dort sein, als einziges Wesen, ohne Beispiel. Sie will hinaus aufs Meer und hinein in den … Weiterlesen Gegen den Strom.

Der Sänger.

Wenn in einem gut besetzten Zugabteil ein offensichtlich leicht geistig behinderter Mann sehr laut und sehr falsch singt, ist es angebracht, verärgert und genervt zu reagieren und gegebenenfalls mit Nachdruck um Ruhe zu bitten. Natürlich tut man es nicht. Man weist keine behinderten Menschen zurecht, man hindert sie nicht daran, ihre Gefühle in akustischer Form … Weiterlesen Der Sänger.

Durchschaubar.

Schon einige Male sagte man ihr, sie sei leicht zu durchschauen, man sprach von ihrer seidenpapierdünnen Haut und vom trivialen Glanz ihrer Oberfläche, von einer Hülle ohne Inhalt und von hübscher Einfalt, und sie hörte zu, weil sie nicht anders konnte, war den Worten ausgeliefert wie ein angeleintes Nutztier der Gerte, nur dass die blutroten … Weiterlesen Durchschaubar.

Ruhepuls.

Jeder Zoo ist ein Abenteuerland, jedes Einkaufszentrum ein Erlebnispark, jedes Tanzlokal ein Partytempel, jede Bahnfahrt eine unvergessliche Reise. Kaum ein Aspekt des Lebens wird nicht mit dem Versprechen aufgeladen, das Sein entscheidend zu bereichern. Und während wir den einzigartigen Momenten nachjagen wie hungrige Hunde, gerinnen jene Situationen, in welchen nichts Zählbares oder Erzählbares geschieht, zu … Weiterlesen Ruhepuls.

Der Zement der Verzweifelten.

Ein renommierter saudischer Prediger misshandelt und vergewaltigt seine fünfjährige Tochter mehrfach. Ihr Rücken wird dabei gebrochen, der Mastdarm herausgerissen. Das Mädchen stirbt nach mehrmonatigem Überlebenskampf im Spital. Der Vater gesteht die Tat und wird verurteilt. Das Gericht sieht von Haft ab, die Strafe beinhaltet nur eine Entschädigungszahlung an die eigene Familie. In Indien vergewaltigen sechs … Weiterlesen Der Zement der Verzweifelten.

In ihren Räumen.

Sie ist da, und sie ist nirgendwo, allein in diesem Zimmer, in dessen Winkeln sich der Staub sammelt, allein in dieser Stadt, zwischen Millionen leeren Gesichtern, in dieser Welt, die auch im Sommer nicht wärmt, und während draußen kalte Lichter durch die urbanen Adern fließen, hat sie sich über die Rückenlehne des Sofas gelegt, wie … Weiterlesen In ihren Räumen.

Menschen Insekten.

Sie verzichten. Nicht auf Unnötiges, nicht auf Überflüssiges. Sondern auf Grundsätzliches. Auf ihre Freiheit, auf Teile ihrer Identität. Sie schmälern ihren Wert, beugen ihren Charakter, entsagen Bedürfnissen. Und alles, was sie dabei gewinnen mögen, ist die Gewissheit, irgendwo irgendwie dazugehören zu können. Sie geben sich auf und einer diffusen Überzeugung hin, sie glauben nicht mehr … Weiterlesen Menschen Insekten.

Irrende Ameisen

Je mehr man sich von uns entfernt, desto lächerlicher wird unser Treiben, unsere Bedeutung schwindet mit wachsender Distanz. Wir werden von Körpern und Köpfen zu irrenden Ameisen, zu einzelnen Punkten, dann zu einem kollektiven Schimmer und schließlich zu einem Klumpen. Je näher wir uns kommen, desto lächerlicher wird das Treiben der Welt, unsere Bedeutung wächst … Weiterlesen Irrende Ameisen

Oskar.

«Ach, wissen Sie, Frau Rosenthal, da können Sie noch so wild mit Ihrem kleinen jüdischen Köpfchen wackeln, Ihr Sohnemann ist und bleibt eine Null. Der steht sich doch vor Aufregung selbst auf den Schwanz, wenn er Futter wittert. Und hässlich ist er auch, Ihr Sohn! Vor allem im Vergleich zu meinem Jungen.» Die Nase von … Weiterlesen Oskar.