Ihre Namen waren Matthew Shepard und James Byrd, Jr., und sie waren in der Minderheit. In ihrem Leben und in ihrem Sterben zählten sie zu einer solchen Minderheit, und dieses Wort, es wirkt so schrecklich banal, doch beim Weglassen der Banalität ist es nur noch schrecklich, im Wörterbuch eingebettet zwischen minderbemittelt und minderwertig. Selbst wenn es gut gemeint sein sollte, jemanden einer Minderheit zuzuordnen, gut klingen tut es noch lange nicht. Matt und James steckten in Kisten, die mit dem Begriff Minderheit beschriftet waren. Mittlerweile liegen ihre Kisten einige Meter unter der Erde.
Matt war in seinem Heimatstädtchen Laramie im US-Bundesstaat Wyoming durchaus beliebt, hatte Freunde und eine liebevolle Familie. Dass er schwul war, stieß zwar hin und wieder auf Ablehnung und unfreundliche Kommentare, doch er hatte sich damit arrangiert, etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Als er eines Abends in einer Bar auf Aaron McKinney und Russell Henderson traf, ahnte er nicht, dass sie nicht vorhatten, sich mit ihm und seiner sexuellen Natur zu arrangieren. Sie ließen Matt glauben, sie seien ebenfalls schwul, und boten ihm an, ihn nach Hause zu fahren. Sie taten es nicht. Stattdessen raubten sie ihn aus, prügelten so lange auf ihn ein, bis er sich nicht mehr regte, und fesselten ihn an einen Zaun irgendwo im Nirgendwo. 18 Stunden später wurde er gefunden, vier Tage darauf starb er im Krankenhaus.
James, ein 49-jähriger Afroamerikaner, wurde im Juni 1998 in Jasper, Texas, von Shawn Berry, Lawrence Brewer und John King als Anhalter mitgenommen. Die drei scheinbar so hilfsbereiten Männer hegten jedoch nur wenige Sympathien für James, umso mehr aber für die Ideologie der Vorherrschaft der weißen Rasse. Sie schlugen James zusammen und fesselten ihn mit einer Kette um das Fußgelenk an die Stoßstange. Er wurde vom Auto rund fünf Kilometer mitgeschleift. Zu welchem Zeitpunkt er starb, ließ sich im Nachhinein nicht genau feststellen, spätestens aber in jenem Moment, als er eine überirdisch verlaufende Wasserleitung passierte und sein Kopf dabei vom Rumpf abgetrennt wurde.
Zwei Geschichten, die abgesehen von Motiv und Folge nur wenig miteinander zu tun haben. Höchstens noch die Tatsache, dass sie nicht als Hate Crimes galten, als Verbrechen, deren Ursachen im Hass gegen sogenannte Minderheiten wurzelten. Zwar wurden sowohl die Mörder von Matt als auch die Mörder von James zu langen Haftstrafen und in zwei Fällen zum Tode verurteilt, jedoch nicht aufgrund von Hate Crimes, die einen eigenen Tatbestand darstellen und deren Strafmaß deutlich höher liegt, in den besagten Fällen jedoch nicht zum anwendbaren Recht zählten.
Derartige Hate Crimes gab und gibt es zuhauf, doch die Morde an Matthew Shepard und James Byrd, Jr. sowie die folgenden Prozesse stießen in der Bevölkerung und den Medien auf besonders große Aufmerksamkeit, so groß, dass sich auch die amerikanische Politik mit den diesbezüglich aufgeworfenen Fragen zu Hate Crimes befassen musste. Es folgten zahlreiche Versuche, die Gesetzgebung anzupassen, Hate Crimes landesweit gesondert zu betrachten und auch Verbrechen an Menschen einzuschließen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu Opfern wurden. 1999 wollte Bill Clinton ein derartiges Gesetz in die Wege leiten, scheiterte aber am Widerwillen des Repräsentantenhauses. 2000 blieb ein weiterer Anlauf ebenfalls erfolglos. 2007 schließlich erhielt das Gesetz sowohl im US-Senat als auch im Repräsentantenhaus eine genügende Mehrheit, doch George W. Bush legte sein Veto ein, warum auch immer. Erst nachdem Barack Obama bei seinem Amtsantritt bekräftigte, das Gesetz endlich einführen zu wollen, waren sämtliche Steine aus dem Weg geräumt, und 2009 unterzeichnete Obama das Gesetzespapier. Es trägt den Namen Matthew Shepard and James Byrd, Jr. Hate Crimes Prevention Act.
Hier begegnen sich die Geschichten von Matt und James, zwei Menschen, die in der Minderheit waren. Sie haben sich diese Klassifizierung nicht ausgesucht. Sie haben keine Kisten gezimmert, weder jene, denen sie im Leben zugeordnet wurden, noch jene, in denen man sie begrub. Die Kisten, sie wurden auch nicht nur von jenen fünf Gestalten gemacht, deren Hass auf andere sie zu Mördern werden ließ. Solche Kisten entstehen immer wieder und überall. Und kein Gesetz der Welt wird wohl je etwas daran ändern können.
The Laramie Project
Ein wunderbar berührender Film über den Mord an Matthew Shepard und dessen Nachwehen
Still Alive
Song von Matthew Mayfield über den Mord an James Byrd, Jr
