Nur wenige Themen scheinen für Autoren von humoristisch angehauchten Sachbüchern so interessant zu sein wie die Unterschiede zwischen Mann und Frau. Ob gut zuhörend oder schlecht einparkend, Bier saufend oder Schuhe kaufend, Gefühle zeigend oder verbergend, kopulierend oder kuschelnd – was man fühlt und tut, hängt ausschließlich davon ab, ob sich zwischen den Beinen ein Zipfelchen tummelt oder nicht. Zumindest behaupten das die besagten Ratgeber, ebenso die bunten Magazine am Kiosk und vermeintlich seriöse Meinungsmacher. Das Problem ist nur, dass die Wissenschaft derartige Behauptungen kaum je stützt.
Sehr gerne glauben Produzenten von Geschlechterklischees ihre Erklärungen in den Hormonen zu finden. Begeben sich jedoch Forscher auf die entsprechende Suche, kehren sie häufig mit leeren Händen zurück. Zum Beispiel nahmen männliche Testpersonen im Rahmen einer Studie während zehn Wochen unwissentlich eine hohe Dosis Testosteron ein. Geändert hat sich ihr Verhalten dadurch aber nicht, Aggressive blieben aggressiv, Schüchterne blieben schüchtern, und keine graue Maus wandelte sich zum Alphatier. Deutlich reizbarer wurden Männer hingegen in einem anderen Experiment der Studie. Nämlich dann, wenn ihnen zwar gesagt wurde, sie erhielten eine große Menge Testosteron eingeflößt, sie in Wahrheit aber nur ein Placebo ohne jegliche Wirkung eingenommen hatten.
Aus wissenschaftlicher Sicht haben Hormone eine ziemlich geringe Auswirkung auf das unterschiedliche Verhalten von Männern und Frauen. Viel grösser scheint der Einfluss der unzähligen Artikel, die eben genau dieses unterschiedliche Verhalten propagieren. Wenn einer Frau oft genug gesagt wird, dass sie schlecht einparkt, wird sie schlecht einparken. Und wenn ein Mann stets zu hören bekommt, dass er das Multitasking nicht beherrscht, wird er es auch nicht lernen. Dabei braucht es sowohl fürs Einparken als auch fürs Multitasking vor allem Übung und Selbstvertrauen. Wo man bei Fragebogen bei der Geschlechterfrage sein Kreuz macht, spielt hingegen nicht wirklich eine Rolle.
Es gibt durchaus Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein, die über die Anatomie hinausgehen. Etwa bei der optischen Wahrnehmung. Während Männer die Welt leicht bläulich sehen, zeigt sie sich den Frauen offenbar in etwas wärmeren Tönen. Die meisten anderen Geschlechterklischees jedoch sind vor allem genau das – Klischees, mehr oder weniger weit weg von der Wahrheit, mehr oder weniger stark an den Haaren herbeigezogen. Und eigentlich ziemlich unnötig.
Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 8.

interessante Meinung zum Thema…
du meinst also vieles wird suggeriert?
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Ich denke schon, dass sicher nicht alles, aber doch so manches suggeriert wird, ja… Und du?
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