Ohne Maja und Nils.

Als Kind mochte sie die Biene Maja, die war so frech und klug und gewitzt. Sie mochte den kleinen Maulwurf, der war so fröhlich und aufgeweckt. Sie mochte Nils Holgersson, der so viele Abenteuer erleben und mit den Wildgänsen fliegen konnte. Sie mochte die Figuren, sie mochte die flauschig weichen Geschichten, und obwohl sie wusste, … Weiterlesen Ohne Maja und Nils.

Die Lüge der Zeit.

Manchmal hört er die alten Lieder. Einige klingen seltsam dumpf, als spielte man sie in einer Höhle oder unter einer Decke. Andere hingegen hallen im Innern wieder, der ganze Körper ist ein Resonanzkasten, alles ist so präsent, so gegenwärtig. Musik, wie auch Filme oder Bücher oder Bilder, sie altern nicht linear und gleichmäßig. Er ist … Weiterlesen Die Lüge der Zeit.

Der Fahrtwind der Zeit.

Kein Augenblick kann den Moment überleben, und jeder Moment stirbt. Alle Gegenwart wird unmittelbar fortgeweht vom Fahrtwind der Zeit. Was bleibt, sind die Bilder, und mit diesen Bildern bepflanzen wir unsere Vergangenheit. Ein wucherndes Fundament aus Begebenheiten, ein reiches Feld, in welchem die Erinnerungen mal energisch, mal zaghaft aus dem Boden wachsen, sobald wir uns … Weiterlesen Der Fahrtwind der Zeit.

Butter ilch.

-1- Sie sagen, sie solle doch nicht so viel Buttermilch trinken. Sie müsse sich endlich einen Fernseher anschaffen, das sei doch kein Leben ohne Fernseher. Sie solle nicht so häufig vor ihren Puzzles sitzen. Sie könne doch nicht immer so hastig gehen, da käme ja niemand mit. Sie solle doch nicht jeden Tag so früh … Weiterlesen Butter ilch.

Der kleine Polizist.

Wir nannten ihn den kleinen Polizisten. Klein war er tatsächlich, kaum größer als wir Kinder es damals waren. Und er war alt. Schon immer. Niemand konnte sich vorstellen, dass er einst ein junger Mann gewesen sein musste. Ein Polizist war er derweil nicht. Dennoch trug er eine Uniform. Sie bestand aus einem grauen Jackett, einer … Weiterlesen Der kleine Polizist.

Konserviert.

Seine Hände zittern. Sie gleiten über ihre Haut, und sie zittern, noch mehr als sonst. Die Finger wandern unsicher über den Bauch, stolpern über die Falten und verfangen sich kurz im Nabel. Er berührt ihre Brüste, die poröse Haut, die ein wenig lose über dem Gewebe liegt. Sie sind noch immer wunderschön, die Brüste. Alles … Weiterlesen Konserviert.

Ein Gemälde.

Sie steht vor der Staffelei und starrt auf die Leinwand, den Pinsel noch in der Hand. An den Borsten hängt ein Tropfen Farbe, der nach unten drängt, sich zu lösen versucht und schließlich zu Boden fällt, vor ihren Füssen zerschellt, ein Klecks wie ein Mahnmal. Sie betrachtet ihr Werk, dieses Abbild ihrer selbst. Das ist … Weiterlesen Ein Gemälde.

Das Fehlen.

Der Frühling kommt. Die Blumen beginnen zu sprießen, die Vögel singen schon beim ersten Licht des erwachenden Tages, alles blüht auf, die Natur und die Menschen, vor allem die Menschen. Man lacht wieder mehr. Die Haut hängt nicht mehr so schwer an den Knochen, die Schultern und Gesichtszüge entspannen sich. Und während das Leben mit … Weiterlesen Das Fehlen.

Seltsam.

«Sag, liebst du mich?» fragt sie, und die Stimme zittert, doch das tut sie schon seit Jahrzehnten. Er schaut sie an, aus diesen dunklen und warmen Augen, die immer ein wenig wässrig sind, und lächelt. Dann ergreift er ihre Hand und küsst die fleckige Haut, ganz sanft, als wäre sie aus dünnem Papier. «Sieh doch, … Weiterlesen Seltsam.

Zwischen den Halmen.

Sie haben die Möbel vor das Heim gestellt, auf die Wiese mit den Unmengen an Hundekot, und vielleicht ist einer der Männer mit den schweren Stiefeln in ein solches Häufchen getreten, aber nur vielleicht. Was von ihrem Leben übriggeblieben ist, steht nun zwischen den Halmen, und ihr Atem liegt noch über den Dingen, wie ein … Weiterlesen Zwischen den Halmen.

Im Garten.

Wir wachsen wie Bäume nach oben, aber nie über uns hinaus, obschon wir gerne würden, und irgendwann kommen wir nicht mehr höher, wir verharren, wie sehr wir uns auch strecken, wir wären gerne größer und mächtiger, um weiter sehen und uns den Stürmen widersetzen zu können, uns nicht beugen zu müssen, doch wir schwanken, wir … Weiterlesen Im Garten.

In der Nacht zwischen gestern und heute.

Gestern war alles so leicht, so frei, so bunt auch, beseelt von Unbeschwertheit, manchmal für Augenblicke zerstört, jedoch umgehend regeneriert. Gestern, das war ein leerer Plastiksack, tanzend im Wind, das waren Pusteblumen und Staumauern im Bach, die Welt hörte am Horizont auf und war dennoch unendlich. Heute schleppen wir unsere gepackten Koffer, mähen den Rasen … Weiterlesen In der Nacht zwischen gestern und heute.

Die Welt ein Rechteck.

Sie ist immer da, in ihrem Rechteck, jeden Tag, vom Erwachen bis zum letzten Licht. Es ist ein Fenster in der obersten Etage des Altersheimes. Manchmal steht sie, auf das Fensterbrett gestützt. Sie ist klein und breit. Manchmal sitzt sie, dann ist nur ein Teil des Kopfes sichtbar. Doch sie ist immer da, in ihrem … Weiterlesen Die Welt ein Rechteck.

Drei Tage nach Halbmond.

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in neue, and’re Bindungen zu geben. Und … Weiterlesen Drei Tage nach Halbmond.

Unter der Decke.

Es ist früher Morgen, die Luft ist kalt und klar. Ein Polizeifahrzeug steht vor dem Altersheim und wirkt seltsam fremd, eingerahmt von der Kulisse des herrschaftlichen Gebäudes. Das Blitzgerät einer Kamera erhellt in sporadischen Abständen die Dunkelheit des erwachenden Tages. Die Polizisten befinden sich seitlich des Hauses. Sie machen Notizen, nehmen Bilder auf, sammeln Gegenstände … Weiterlesen Unter der Decke.