Sie haben die Möbel vor das Heim gestellt, auf die Wiese mit den Unmengen an Hundekot, und vielleicht ist einer der Männer mit den schweren Stiefeln in ein solches Häufchen getreten, aber nur vielleicht. Was von ihrem Leben übriggeblieben ist, steht nun zwischen den Halmen, und ihr Atem liegt noch über den Dingen, wie ein schüchterner Nebel.
Der Sessel, auf dem ihr Körper jeweils schwer und träge zu ruhen pflegte, er sieht noch aus wie am ersten Tag, abgesehen von einem kleinen Riss im Stoff der Rückenlehne. Irgendwo in die Fasern geflochten noch einige Haare ihres Katers, der sie schon vor Jahren verlassen hatte, und tief in den Polstern ein Hauch des Geruchs von Kartoffelauflauf, den sie so sehr mochte, bis sie vergaß, wie man ihn zubereitet, und niemand mehr da war, für den sie hätte kochen sollen.
Das Fenster zur Welt, es wurde immer kleiner, und die Bewegungen darin gerieten zunehmend zu seltsamen Zuckungen in einem Bild, das sich von ihr entfremdete oder sie sich von ihm. Trotzdem waren die Menschen im Fernsehen ihr am Ende näher als die Angehörigen, die längst aufgehört hatten, ihrem Zerfall zumindest sporadisch beizuwohnen. Von Zeit zu Zeit kam ein Mann vorbei, der behauptete, er sei ihr Sohn. Natürlich hatte er Recht, und sie spielte das Theater mit, doch nachdem er jeweils gegangen war, verstaute sie die Haselnussschokolade, die er mitgebrachte hatte, in ihrem Schrank, um sie bald darauf einer Pflegerin zu schenken, die nicht auf Nüsse allergisch war.
Irgendwo steht eine Kommode im Gras, mit Wasserflecken auf der dunklen Deckplatte, daneben liegen Steinkrüge und Bilderrahmen und schwere Kissen und eine umgekippte alte Vase, in welche die Blumen vielleicht irgendwann hineinwachsen werden. Ein Stillleben aus Denkmälern, die tausend Geschichten erzählen. Tausend Geschichten von Entbehrungen und Reue, von der Liebe und vom Zorn. Tausend Geschichten von erfüllten Jahren und der leeren Zeit, vom großen Glück und von den kleinen Messerstichen ins Herz. Tausend Geschichten, doch niemand hört zu, niemand lässt Worte zu Gemälden werden. Die Stimme der Erzählerin, sie ist verstummt, und der Nachhall verliert sich zwischen den Halmen.

Gefällt mir. Aber ich habe nach dem Lesen furchtbaren Durst bekommen…;-)
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Na dann Prost!
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zwischen den Halmen steht noch ein Rest von ihr, ein eher unwichtiger, rührender, ergreifender, der aber nicht wirklich mit ihrem Ich zu tun hat. Den hat sie mitgenommen, liegt nirgendwo störend herum
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Vielen Dank, liebe Bruni… Ja, zwischen den Halmen ist das, was von ihr bleibt, und es ist offenbar nicht viel. Oder eben doch. Kommt auf die Perspektive an. Aussenstehende denken wohl an Unrat, Müll. Könnte sie’s selbst noch sehen, würde sie vielleicht sagen, dass ihr Leben auf diese wenigen Dinge zusammengeschrumpft sei.
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Schön geschrieben, was traurig ist.
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Schön kommentiert. Danke dafür und fürs Lesen.
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