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Sie sagen, sie solle doch nicht so viel Buttermilch trinken. Sie müsse sich endlich einen Fernseher anschaffen, das sei doch kein Leben ohne Fernseher. Sie solle nicht so häufig vor ihren Puzzles sitzen. Sie könne doch nicht immer so hastig gehen, da käme ja niemand mit. Sie solle doch nicht jeden Tag so früh zu Bett gehen. Und dann der Mantel, dieses alte lumpige Stück. Sie müsse doch endlich einen neuen Mantel kaufen, man könne doch nicht sein ganzes Leben im gleichen Mantel rumlaufen, und dann noch so schnell. Sie sagen es nicht immer, aber manchmal, und manchmal ist manchmal mehr als genug.
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Sie sitzt allein in ihrer Wohnung, in ihren guten alten Mantel gehüllt, vor ihr eine Schreibmaschine, daneben ein Becher Buttermilch und ein angefangenes Puzzlespiel. Tausend Teile. Noch ist nicht zu erkennen, welches Bild sich daraus ergeben soll. In einem langsamen und stetigen Rhythmus drückt sie die Tasten der Schreibmaschine.
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Die Wohnung ist still. Einige eintretende Sonnenstrahlen klammern sich an schwebende Staubpartikel. Kleine Fliegen haben sich auf einem halbleeren Becher Buttermilch versammelt, der auf dem Tisch steht, gleich neben der Akropolis. Hinter der Schreibmaschine liegt ein Blatt Papier. Einige Zeilen nur, die Buchstaben eher grau als schwarz, und das m fehlt in den Worten.
Weshalb die Leute ich nicht mögen.
Ich trinke zu viel Butter ilch. Ich soll doch etwas anderes trinken, nicht i er nur Butter ilch.
Ich soll endlich einen Fernseher kaufen.
Ich ache viel zu viele Puzzles, an könne doch auch ein al etwas anderes achen.
Ich laufe wie eine Verrückte. Ich soll doch ein wenig langsa er gehen.
Ich gehe jeden Abend so früh zu Bett. U sieben Uhr kann an doch noch nicht schlafen.
Ich soll ir einen neuen antel kaufen. ein antel ist viel zu alt und nicht ehr schön.
Darunter steht ihr Name. Nur dort hat sie das m in zittrigen Strichen zwischen die Schreibmaschinenbuchstaben geschrieben. Eine letzte Signatur. Manchmal ist das m mehr als nur ein Buchstabe.

ach, weißt Du, wenn DIE Mails ankommen, die mir wichtig sind, dann entwickelt sogar der olle moderne PC einen ziemlichen Charme *lächel*,
Was für schöne und einfühlsame Zeilen, was für eine liebenswerte Erzählung hast Du hier geschrieben. Ich fühle das m geradezu und es steht für alles, was nicht mehr so richtig funktioniert, für die Makel, die für viele unserer Mitmenschen unverständlich und nicht zu tolerieren sind, die aber mit etwas mehr Menschlichkeit leicht zu „ertragen“ wären.
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Vielen Dank, liebe Bruni, für deine Worte und die Art, wie du das fehlende m weiterdenkst…
Ja, einige der Dinge, die man nicht versteht, zumindest zu tolerieren, wäre schon mal ein guter Schritt zu mehr Miteinander, mehr Menschlichkeit…
Und auf der anderen Seite wird manch eigener kleiner Makel für einen selbst zu etwas Riesigem, wenn man der Meinung anderer mehr Gewicht verleiht als der eigenen…
Nochmals liebsten Dank dir…
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ich dürstet nun nach butter ilch *lächel*
und…
nach solch einer nostalgischen schreib aschine auch *lächel*
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Ja, die ach so intelligenten modernen Schreibdinger mögen ja ganz viele Dinge können, aber charmant sind sie kaum…
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