Man erschafft sich seine eigene Landschaft. Den objektiven Blickwinkel gibt es nicht, man schaut immer durch die gleichen beiden Löcher aus dem Kopf hinaus in die Welt, und diese Welt, sie dringt durch die gleichen beiden Löcher hinein in den Kopf. Und dort entsteht sie, die Landschaft. DIE LANDSCHAFT IM INNERN. Es ist nicht selten unwegsames Gelände, das sich unter der Haut offenbart. Der Blick nach innen, er stolpert immer wieder über Kanten und Konturen, verliert sich in Abgründen, erklimmt steile Anhöhen. Wer auch immer als Landschaftsarchitekt wirkte, muss eine Aversion gegen plane Flächen und klare Linien gehabt haben. DAS RELIEF DER SEELE. Wer sie berührt, spürt ihre unzähligen Wölbungen. Viele kleine Hügel, hin und wieder Berge, die in die Wolken ragen, die Luft ist dünn und kühl. Meistens sind da aber mehr Täler als Erhebungen, denn die Seele, sie zeigt weniger als sie verbirgt, wie auch das Herz. DIE ZERKLÜFTUNG DES HERZENS. Das Herz, ob nun aus Stein oder Glas oder Pudding, es sieht nie so aus wie in den Zeichnungen auf liniertem Papier von Schulheften, die als Leinwand für jugendliche Skizzen der Zuneigung herhalten müssen. Es ist eigentlich ein unförmiger Klumpen, pumpende und pulsierende Masse. Man füllt es stetig aus, das Herz, bis es irgendwann platzt, füllt es mit all den Dingen des Lebens, mit der Liebe und der Leidenschaft, mit dem Eifer und der Sehnsucht, mit essenziellen Elixieren und geistlosem Tand. DIE UNWEGSAMKEIT DES GEISTES. Man denkt oft darüber nach, worüber man nachdenkt, denkt darüber nach, ob es sich überhaupt lohnt, darüber nachzudenken. Und nicht selten verliert man dabei die Orientierung, geht verloren in den dichten und dunklen Wäldern, während in ungewisser Distanz Wölfe und Eulen heulen. Die Angst hämmert zwischen den Ohren und treibt schwere Brocken in den Hals. DER STEIN DES ANSTOSSES. Beim Erkunden der inneren Landschaft stößt man stetig an, man taumelt und strauchelt und stürzt, denn um die Steine zu verrücken, die im Weg stehen, müsste man Berge versetzen können, und das funktioniert nur in den Phrasen, den hohlen, den falschen. Dass sie dort stehen, die Steine, liegt nicht an Gott oder seiner Mutter, nicht an Mutter Natur, es liegt überhaupt selten an Müttern, aber meistens an einem selbst. DIE TOPOGRAFIE DER IDENTITÄT. Man ist nicht seines eigenen Glückes Schmied. Denn Glück ist kein Hufeisen. Glück ist so abstrakt wie die romantische Landschaft von Kandinsky. Und das Schmiedehandwerk wurde auch schon emsiger gepflegt als heutzutage. Glück ist individuell, wie jedes Gefühl, und wer einem anderen sagt, er wisse, wie jener sich fühle, lügt wohl auch sonst ziemlich häufig. Man ist immer eigenartig in jeder Emotion, einzigartig. Die Gefühle bleiben egoistisch, in tiefsten Tiefen wie in höchsten Höhen. DAS ERREICHEN DES GIPFELS. Je höher man kommt, desto weniger Platz bleibt übrig. Nicht nur Berge sind oben schmaler, und die falschen Schritte werden über der Baumgrenze schnell verhängnisvoller. Am Ende war jeder einmal am höchsten Punkt, vielleicht sogar länger als gedacht, doch feststellen lässt sich dies nur beim Blick zurück nach oben. DAS ANSCHAUEN SEINER SELBST. Wer sich im Spiegel betrachtet, sieht nicht, was andere sehen, denn den objektiven Blickwinkel gibt es nicht, man schaut immer durch die gleichen beiden Löcher aus dem Kopf hinaus in die Welt, und diese Welt, sie dringt durch die gleichen beiden Löcher hinein in den Kopf. Und dort entsteht sie, die Landschaft.
Dieser Text ist einer von drei Teilen eines Beitrages für die Ausstellung «Annäherung an deine Landschaft – Kollektive und individuelle Topografie» des Museums Zeughaus Teufen.
da hast Du aber viel untergebracht… und noch viel mehr ist da drinnen…
Du schreibst
…denkt oft darüber nach, worüber man nachdenkt, denkt darüber nach, ob es sich überhaupt lohnt, darüber nachzudenken…
und vor lauter Denken kommt man oftmals nicht zum Weiterdenken *lächel*.
Da hätten wir dann das Grübeln.
Das Relief der Seele gefällt mir besonders gut, zeigt es doch ganz genau jede Unebenheit an und die Seele ist ein Seelchen, kann ich Dir sagen, in einem Moment tut sie fest und stark und im nächsten Moment weint sie so laut, daß Du Dich fragst, wo kommen die Töne her. *lächel*
Und wenn Dir das Herz zerspringen könnte vor Glück, dann ist es wirklich kurz vor dem Zerplatzen vor Freude und möchte tanzen und springen.
Ja, sie ist hügelig, oftmals kaum zu erkennen diese Landschaft im Innern, und sie verändert sich ständig irgendwo und Du suchst das, was eben noch da war und schon ist das Hügelchen rechts zur Bodendelle links geworden und Du stolperst hinein und holst Dir neue blauen Flecken, aber sie vergehen und Du siehst eine andere Landschaft.
Es ist immer wieder toll, Dich zu lesen
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Vielen lieben Dank! Es ist auch immer wieder toll, deine Kommentare zu lesen… Schön, wie du die Landschaften ausweitest, verbreiterst, sie werden reicher dadurch, und dafür lieben Dank!
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ihr seid beide wunderbare Schreiberlinge, Silberlinge, Goldlinge …
ich genieße eure Zeilen woimmer ich sie finde wie ein Glas herrlichen alten reifen Rotwein 🙂 ist das nicht fein?! *lächel und prost*
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Es ist schön, ein Genussmittel zu sein… Ich meinerseits mag es auch sehr, eure Worte zu trinken…
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