Seine Hände zittern. Sie gleiten über ihre Haut, und sie zittern, noch mehr als sonst. Die Finger wandern unsicher über den Bauch, stolpern über die Falten und verfangen sich kurz im Nabel. Er berührt ihre Brüste, die poröse Haut, die ein wenig lose über dem Gewebe liegt. Sie sind noch immer wunderschön, die Brüste. Alles an ihr ist noch immer wunderschön. Auch das leise Rasseln in ihrem Stöhnen, das aus ihrer Kehle strömt, als er vorsichtig in sie eindringt. Er krallt seine Finger in ihre Haut, verbirgt sein Gesicht an ihrem Hals. Er atmet sie ein. Ihr Duft hat sich kaum verändert, er scheint wie konserviert. Sie ist noch immer die junge Frau, die sie einst war, bei jedem Atemzug.
Einige Minuten später liegen sie nebeneinander im Zimmer. Das Flackern von zwei Kerzen lässt die Schatten tanzen.
«Wir sind zu alt für diesen Mist», flüstert er, sein leises Keuchen unterbrechend.
«Ja», gibt sie lachend zurück und widerspricht sich umgehend selbst. «Nein. Wenn wir zu alt dafür sind, können wir uns begraben lassen.»
«Du bist noch immer wunderschön.»
«Und du bist noch immer wunderschön zärtlich», sagt sie und hustet.
«Weißt du noch, damals in der kleinen Pension in der Normandie, direkt am Meer?»
«Ja.»
«Wir waren so jung. Alles war so neu, so aufregend.»
«Ja. Wie hieß sie eigentlich, die Pension?»
«Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht mehr, wie die Stadt hieß.»
«Ich auch nicht. Warum hast du daran gedacht?»
«Ich weiß nicht genau. Vielleicht, weil ich es damals schon wusste.»
«Was denn?»
«Dass es so enden wird.»
«Es endet doch nichts», sagt sie etwas lauter. «Noch nicht.»
«Nein, so meinte ich es nicht.»
«Wie meintest du es denn?»
«Ich wusste, dass ich angekommen war.»
«Das klingt schön.»
«Ja. Ist es.»
Bald darauf ist sie eingeschlafen, und er beobachtet sie, wie sie atmet und ihre Mundwinkel leicht zucken. Er streichelt ihr Gesicht, und seine Hände zittern, noch mehr als sonst. Sein Blick folgt den Formen und Konturen ihres Körpers. Ein dünner Schleier liegt über ihr, hüllt sie ein wie ein Kokon.
«Du hast Recht», flüstert er. «Du wirst nie zu alt sein für diesen Mist.»
Er legt sich hin und schließt die Augen. Seine Hände zittern. Draußen vor dem Fenster rauscht das Meer des Ärmelkanals.

Die Gefühle kommen so direkt durch den Text, auch wenn die nicht direkt geschrieben sind. Das bewundere ich. Deshalb finde ich, dass „Mist“ ein passendes Wort ist. Und sogar auch vielleicht „Scheisse“. Warum sollte ein Mensch das nicht sagen?
Ich wünsche, ich habe auch solche gefühle wenn ich Alt bin.
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Ich wünsche es dir auch, und ich danke dir herzlich fürs Lesen und für deine Worte.
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wie kommst du denn in diesem Kontext auf die etwas unüblichen Wörter Scheisse bzw. Mist, lieber Disputnik?!
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Ich denke, sie wurden in diesem Kontext mit einem Lachen gesagt, eine Begleiterscheinung, die manch unübliche Wortwahl entschuldigt oder abschwächt, vor allem eben in diesem Kontext…
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Solange es Spass macht ist man für diesen *hust Mist wohl nie zu alt 😉
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Genau!
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Nur das etwas unpassende Wörtchen „Mist“ trübt hier ein klein wenig dieses ansonsten sehr gelungen erstandene, wunderschöne Bild der Innigkeit.
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Dann bin ich froh, dass ich meinem ersten Impuls nicht nachgegeben und die ursprüngliche „Scheisse“ immerhin in „Mist“ geändert habe. Trotzdem lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren und dafür, dass du dir nur von jenem Wörtchen das Bild ein wenig trüben lässt…
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Wunderschöner Schreibstil. Gefällt mir sehr gut 🙂 Lg. Saraphina
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Herzlichen Dank für die Blumen, fürs Lesen und Kommentieren…
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Nichts zu danken 🙂 Musste dich einfach ein wenig mit meinen Kommentaren zu kleistern. Lese deine Posts ja schon eine ganze Weile aber kam nie dazu meinen Senf dazu zu geben.
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wunderschön, zartfühlend und einfühlsam hast Du sie erzählt, diese Liebesgeschichte
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Liebe Bruni, vielen Dank (immer wieder) fürs Lesen und für die lieben Worte…
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