Trotz allem.

Kristalle haften an den Halmen, die Luft ist kalt und riecht nach dem Tod der alten Tage, vereinzelte Nebelfetzen hängen reglos über dem Boden, während die fernen Klagelaute eines verletzten Tieres die Stille zerschneiden. Das Feld ist karg und weit und leer. Man kann in jede Richtung gehen und kommt in jeder Richtung trotz allem … Weiterlesen Trotz allem.

Und stumm.

Unter der Zunge die Dornen, die Lippen zusammengepresste Mauersteine, unsichtbare Lichter zucken vor den schwindenden Farben des sterbenden Tages, im Hals ein unförmiger Klumpen und hinter den Augäpfeln drängen die Tränen, ständiges Blinzeln verzerrt die Zeit, irgendwo ein Schmerz, nur kurz, stechend und lähmend, einige Sterne in hektischem Tanz, der vergebliche Versuch, die Trockenheit zu … Weiterlesen Und stumm.

Winzige Diamanten.

Mit feinen Nadeln dringt die Kälte unter seine Haut, die Muskeln angespannt, um den Körper vor stetem Zittern zu bewahren. Im fahlen Schein einer alten Straßenlaterne glitzert der Asphalt vor ihm, winzige Diamanten auf schwarzem Grund, und er weiß nicht, ob der Boden lediglich feucht ist oder sich eine Eisschicht gebildet hat. Die kahlen Bäume … Weiterlesen Winzige Diamanten.

Und zugleich.

Deine Welt war eine andere, kleiner und zugleich größer, und du warst in ihr kleiner und zugleich größer als ich es heute bin. Du hast häufiger geweint und häufiger gelacht, du hast heftiger gejubelt und heftiger gebangt als ich es heute könnte. Deine Angst und dein Mut waren kleiner und zugleich größer, und du warst … Weiterlesen Und zugleich.

Ein Satz über die unterschiedliche Lautstärke des öffentlichen Sterbens.

Es ist schön warm im Wohnzimmer, ein schönes, warmes und wohnlich gezimmertes Leben, und während wir billigen Wein aus nicht ganz billigen Gläsern trinken, sterben die Menschen im Fernsehen, sterben in den Zeitungen und im Internet, und wenn etwa einige Dutzend Personen in amerikanischen Metropolen einem Sturm zum Opfer fallen, ist die Betroffenheit groß, obwohl … Weiterlesen Ein Satz über die unterschiedliche Lautstärke des öffentlichen Sterbens.

Alle Farben und Grau.

Als es allmählich dunkel wurde, kamen sie, die Monster und Dämonen. Zuerst war da nur ein leises Scharren, ein Knirschen, und er glaubte, flüsternde Stimmen zu hören, stets bestrebt, sein pochendes Herz zu übertönen. Während die schwarze Nacht um sich griff, wurden die Stimmen lauter, und seine Angst zeigte sich in allen Farben, grell und … Weiterlesen Alle Farben und Grau.

Moçambique.

Ich war noch nie in Moçambique, nicht annähernd, und ich bezweifle, dass ich jemals nach Moçambique reisen werde. Ich weiß nichts über Moçambique, kenne weder politische Zustände noch soziale Situation, weder klimatische Bedingungen noch geologische Gegebenheiten. Keiner meiner Freunde stammt aus Moçambique, und ich nehme an, dass auch keiner der Freunde meiner Freunde seine Wurzeln … Weiterlesen Moçambique.

Das perforierte Herz.

Sie steht auf einem Stein. Es ist kein großer Stein, auch kein außergewöhnlich schöner, dennoch hatte sie das seltsame Bedürfnis, sich auf diesen Stein zu stellen. Sie sieht nicht mehr von der Welt um sie herum, sie steht auch nicht höher als andere, denn sie ist allein. Irgendwie braucht sie diese erhöhte Position, um sich … Weiterlesen Das perforierte Herz.

Fünf Monate.

Eines Tages kam die Meldung. Man sei sich sicher, es gebe keine Zweifel. Die Welt werde untergehen, vollkommen, in sechs Monaten. Die Menschen, sie mochten es zuerst nicht glauben, beharrten auf einem Irrtum, doch immer mehr stellte sich Gewissheit ein. Panik breitete sich aus, blinde Wut entlud sich, wo sie nur konnte. Dann verfiel alles … Weiterlesen Fünf Monate.

Hautsache.

Er mag sie nicht. Da stehen zwei junge Männer, einige Meter von ihm entfernt, und er hat sie wahrscheinlich noch nie zuvor gesehen, doch er mag sie nicht. Sie sind nicht die einzigen, die am Bahnhof stehen, nicht die einzigen, die sich lauthals unterhalten, nicht die einzigen, die miteinander lachen, doch sie sind die einzigen, … Weiterlesen Hautsache.

Unter dem Mikroskop.

Die Gedanken wachsen sich fest, klammern sich an die Äste im Innern, wie Parasiten im System, Schimmel in den Winkeln des Zimmers; ein Stechen in der Tiefe, und jedes Kratzen macht die Wunde größer, Bakterien mischen sich ins Blut, schwimmen unbemerkt mit; der Irrglaube, was man nicht sehe, könne keinen Schaden anrichten, doch es sind … Weiterlesen Unter dem Mikroskop.

Ein, aus, dich.

Von der Stelle hinter deinem Ohr über die Wange hin zum zarten Duft deines Halses; einatmen, ausatmen, dich atmen; von den Schulterknochen über das leise Beben deines Brustkorbs hin zu den sanften Rundungen deine Brüste; einatmen, ausatmen, dich atmen; von deinem warmen Bauch über das leichte Heben deiner Hüften hin zum zarten Flaum in deinem … Weiterlesen Ein, aus, dich.

Sakrale Exkremente.

Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein, was sich bereits im Umstand zeigt, dass die eigene Existenz in Frage steht und diese Frage allein aufgrund der Faktenlage gerne ein Nein nach sich zieht, was jedoch nicht von Belang sein dürfte, da man sich als Gott auf seine primäre Dialoggruppe fokussiert, ohne dabei vermeiden zu … Weiterlesen Sakrale Exkremente.

Im Zug zu weinen.

Ein seltsamer Moment. Ich saß im Eisenbahnwagen, in passiver Gesellschaft von anonymen Geistern, vor dem Fenster tappte der Tag noch im Dunkeln, und ich weinte. Keine Bäche zwar, höchstens ein Tropfen im Winkel, das Schamgefühl kann manchmal ein Spielverderber sein. Es dauerte nicht lange, fiel niemandem auf außer mir, und vielleicht war es darum nicht … Weiterlesen Im Zug zu weinen.

Jemand muss doch.

Jemand muss doch die Verantwortung übernehmen. Jemand muss doch schuld sein. Jemand muss doch Blut an seinen Händen haben. Jemand muss doch das alles verstehen. Jemand muss doch unsere Kreuze tragen. Jemand muss doch in die Vulkane springen. Jemand muss doch all die Suppen verspeisen. Jemand muss doch die schwarze Wolle liefern. Jemand muss doch … Weiterlesen Jemand muss doch.

Einfache Grunzlaute.

Manchmal legen sich Dinge quer in der Zeit, verheddern sich in den Strukturen der Welt, werfen Fragen auf. Sie zu beantworten oder es zumindest zu versuchen, wäre ein komplexer, mühseliger und mitunter langwieriger Prozess, den wir offensichtlich scheuen, denn unsere Antworten sind kurz und simpel, es sind eigentlich gar keine Antworten, sondern unzureichende Grunzlaute, Reaktionen … Weiterlesen Einfache Grunzlaute.

Von der Traurigkeit, wenn niemand Hamster kocht.

Es war ein seltsam unauffälliges Haus. An mehreren Stellen blätterte Putz von den Mauern, aber nicht zu sehr, es war keine Ruine, auch nicht baufällig, lediglich ein altes Haus, grau und öde. Eigentlich hätte es nichts darüber zu berichten gegeben, dennoch war es berühmt, zumindest in der kleinen Welt meiner Kindheit, denn es hiess, darin … Weiterlesen Von der Traurigkeit, wenn niemand Hamster kocht.