Ein seltsamer Moment. Ich saß im Eisenbahnwagen, in passiver Gesellschaft von anonymen Geistern, vor dem Fenster tappte der Tag noch im Dunkeln, und ich weinte. Keine Bäche zwar, höchstens ein Tropfen im Winkel, das Schamgefühl kann manchmal ein Spielverderber sein. Es dauerte nicht lange, fiel niemandem auf außer mir, und vielleicht war es darum nicht wahrhaftig, doch ich weinte. Der Grund war ein Abschluss. Ein Ende mit Ankündigung, das Sterben und der Tod einer Freundschaft, geschehen vor vielen Monaten und Jahren. Ich hatte an ihr festgehalten wie an einem alten Mantel, den man nicht mehr trägt, und dabei nicht bemerkt, wie sie sich veränderte, nicht nur in der jeweiligen Gegenwart, sondern auch im Rückblick. Die Distanzen wuchsen immer mehr, in jeder Hinsicht. Dann war es vorbei, die Freundschaft zu Ende, der Mantel nicht mehr da. Was blieb, waren Gefühle der Enttäuschung, der Selbsttäuschung, der Ernüchterung. Und es blieb eine Leere. Eine Leere, die fortbestehen muss, da sie nicht mehr gefüllt werden kann. Womöglich war es diese Leere, die mich weinen ließ. Weniger das Verlorene als das Verlieren. Eine diffuse Traurigkeit, nicht wegen dem, was war und nicht mehr ist, sondern wegen dem, was niemals gewesen ist und niemals sein kann. Und vielleicht ist es merkwürdig, deshalb im Zug zu weinen. Vielleicht wäre es noch merkwürdiger, es nicht zu tun.
