Ein dunkelgrau gekleideter Reiter.

Etwa eine Woche, bevor die Welt untergeht, hat Hugo ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle in der Redaktion einer Boulevardzeitung. Er mag die Boulevardzeitung nicht, er liest sie nicht und findet die überdimensionalen Schlagzeilen fürchterlich, doch er ist arbeitslos und antriebslos und braucht Geld, also geht er hin, zu jenem Gespräch. Im Besprechungszimmer hängt ein ziemlich … Weiterlesen Ein dunkelgrau gekleideter Reiter.

Fledermäuse.

An der Wand hängt ein Bild von Mahatma Gandhi, und in der Regel starrt er lediglich ein wenig schläfrig in den Raum, doch manchmal ist er damit beschäftigt, einen Zauberwürfel zu bearbeiten und die gute alte Perfektion der gleichen Farben wiederherzustellen, oder er isst einen Apfel, meistens Golden Delicious, oder er schneidet Grimassen, und jetzt … Weiterlesen Fledermäuse.

Martha.

Sie war anders. Er füllte seinen Kopf mit so vielen Eindrücken, mit Gesichtern und Händen und Körpern, mit Frauen und Männern, mit Namen und Daten, mit Häuserecken und Heuschrecken, mit Meereswellen und Markenlogos, mit sexuellen Erfahrungen und emotionalen Entbehrungen. Er füllte alles in seinen Kopf, und irgendwann tröpfelte und floss es wieder hinaus, versickerte im … Weiterlesen Martha.

In der Schwebe.

Als sie ein Kind war, träumte sie einige Male den gleichen Traum in leicht veränderten Variationen. Sie konnte fliegen in diesem Traum, zumindest schweben, doch das erwartete Hochgefühl der Vogelfreiheit, es wollte sich nicht einstellen. Stattdessen war ihr die außergewöhnliche Fähigkeit sehr unangenehm. Ihr fehlte die Kontrolle, ihr fehlte jeglicher Halt, und sie verspürte eine … Weiterlesen In der Schwebe.

Nur ein Felsbrocken.

Er weiß nicht, ob er gerade erst aufgetaucht ist oder schon immer da war. Er weiß nicht, woher er kommt und weshalb er genau an dieser Stelle liegt. Aber er ist da, grob und kantig, groß und stumm. Es ist nur ein Felsbrocken, sagt er sich. Nur ein Felsbrocken. Nur ein Felsbrocken. Zu Beginn macht … Weiterlesen Nur ein Felsbrocken.

Unverschoben.

Wenn sie ehrlich mit sich ist, klappt die Sache mit dem Glücklichsein vor allem dann, wenn sie die Augen schließt. Aber Dina ist nicht sonderlich gut darin, ehrlich mit sich zu sein. Am Anfang ist alles schwarz. Dann rötlich, ein dunkles Orange vielleicht. Dann kommen die Bilder. Dina kennt die Frau nicht, und dennoch wirkt … Weiterlesen Unverschoben.

Spurlos.

Mitten in der Nacht wacht sie auf, gerät in einen Dämmerzustand und hat das Gefühl, dass jemand neben ihr liege. Es ist nicht unangenehm, dieses Gefühl, doch als sie realisiert, dass es eigentlich gar nicht möglich ist, dass jemand bei ihr im Raum ist, zuckt sie zusammen und reißt die Augen auf. Sie blinzelt in … Weiterlesen Spurlos.

In der Klinik.

Sie hat sich nicht abgemeldet, hat niemanden informiert, hat niemandem erklärt, wohin sie geht, weil sie dann hätte erklären müssen, weshalb sie dorthin geht, und das wäre ihr wohl kaum gelungen. Von der verlassenen Anlage hatte sie durch Zufall erfahren; in einem Café hatte ein Mann einer Frau erzählt, dass er dort Fotoaufnahmen gemacht hatte, … Weiterlesen In der Klinik.

Die Prozession.

Ein fahler Dreiviertelmond hängt in der Luft, beleuchtet die vereinzelten Wolkenfetzen und lässt den Himmel aussehen wie das fleckige Fell eines Tieres, eines unentdeckten Schneeleoparden vielleicht. Ein kühler Wind bewegt die Zweige, schiebt Laub vor sich her. Er hat das Haus verlassen und ist losgegangen, zwar ohne Ziel, aber zumindest mit Richtung. Jedes Mal, wenn … Weiterlesen Die Prozession.

Nach der Angst.

Womöglich ist es gar nicht tot. Da ist kalte Angst in den Augen, und wer Angst hat, ist nicht tot. Man kennt es nicht, das Mädchen. Das weiße Kleid, das schwarze Haar, die Gesichtszüge, die Körperhaltung, alles an ihm ist fremd. Auch die Welt, die Umgebung, die wenigen Eckpunkte des Umlandes, die sich bieten, scheinen … Weiterlesen Nach der Angst.

Das verlorene Schloss.

Man fährt beinahe täglich, mit dem Zug oder mit dem Auto, daran vorüber, an jenem verwitterten Schild, das den Weg durch den Wald zu einem Schloss weist. Das Schild hat Rost angesetzt, eine Ecke ist leicht abgeknickt. Das Schloss selbst steht in einer Waldlichtung auf einer kleinen Anhöhe. Im Sommer, wenn die Bäume ihr dichtes … Weiterlesen Das verlorene Schloss.

Das letzte Kind.

In den kalten Nächten gefriert die Zeit, die Kühe geben nur noch saure Milch, auf riesigen Halden in entlegenen Gebieten verrottet altes Fleisch, in den Supermärkten sammelt sich Staub auf leeren Regalflächen, in den Krankenhäusern flackern einige letzte Lampen in stummen Korridoren, und er taumelt durch diese Welt, der jede Wärme entzogen ist, stolpert über … Weiterlesen Das letzte Kind.

Wilde Tiere.

Man träumt sich in einen Wald, grün die Blätter, grau die Luft, feuchte Kälte hängt zwischen den Bäumen. Einige Momente lang ist alles still, die Welt liegt gefroren in der Zeit. Doch plötzlich ein Knacken, ein Rascheln, einige Zweige, die sich abrupt biegen; ein Vogel fliegt auf, schwarz und krähend. Und dann beginnt die Raserei. … Weiterlesen Wilde Tiere.

Bild ohne Ton.

In allen Bildern der verlorenen Zeit wohnt ein Klang; manchmal Musik, manchmal das eigene Atmen, laut und müde, manchmal auch nur das Rauschen, das bleibt, wenn alles schweigt. Alle Bilder, real oder irreal, tragen die Möglichkeit einer Geräuschkulisse, alle Bilder lassen sich in Gedanken vertonen. Nur dieses Bild nicht. Das Seil geht mitten durch den … Weiterlesen Bild ohne Ton.

Ein langer Weg.

Da ist kein Blut, nicht einmal kleine Spritzer auf dem Hemd sind zu sehen. Da sind auch keine Leichen, keine leblosen Opfer. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass er ein Mörder ist. Ein Serienmörder. Er weiß nicht, wie viele Menschen er bereits getötet und warum er es getan hat. Er weiß nicht einmal, in welchem Land … Weiterlesen Ein langer Weg.

Ein Traum in Weiß.

Er lag auf grünen Wiesen und stand auf grauen Parkplätzen, schwamm in blauen Ozeanen und sah rote Sonnen. Er traf auf bekannte Menschen mit unbekannten Gesichtern, auf fremde Freunde mit unfreundlichen Absichten. Manchmal wurde er verfolgt, manchmal wurde er erwischt. Manchmal sprang er von Häusern, manchmal wurde er hinuntergestoßen. Da waren Tiere, da waren Bäume, … Weiterlesen Ein Traum in Weiß.

Der Mord.

Ich habe einen Menschen getötet. Nun stehe ich in einer bedrückend stillen Wohnung, die nicht meine Wohnung ist, die ich aber trotzdem bestens zu kennen scheine, und versuche, die blutgetränkten Kleider, die ich in meinen zitternden Händen halte, irgendwo zu verstecken. Ich öffne eine kleine Tür, hinter der ich einen Abstellraum weiß, und will die … Weiterlesen Der Mord.

Angstille.

Vielleicht war es Teleportation. Vielleicht ist es ein Traum. Vielleicht ist es eine Illusion. Sie weiß nicht, wo sie eigentlich ist und warum, aber nun steht sie hier, irgendwo im Nirgendwo. Da sind Bäume und Grashalme, da sind der Himmel und einige Wolken, da sind Hügel und Kanten im Gelände, da sind die Düfte und … Weiterlesen Angstille.

Angst und Aluminium.

Schnittwunden und Dellen fangen das Licht, das Aluminium schmeckt wie Angst, das Adrenalin zieht uns näher, alles fluoresziert dort oben, alles ist sternenklar, doch nichts ist klar. Ein Brief, im Bus geschrieben, er erzählt von einer Flut, um das Blut zu verdünnen, von Absinth und Maria Callas, von den Sorgen im Atem; die Jungen und … Weiterlesen Angst und Aluminium.

Ponys und Geister.

Ein Pony oder den Weltfrieden, ein 1965er Ford Mustang Cabriolet oder das Ende des Hungers, einen Lottogewinn oder ewige Gesundheit, wer bekommt denn schon, was er sich wünscht, und wer wünscht sich denn, was er auch tatsächlich bekommen könnte, der Geist aus der Flasche ist wie alle Geister nur ein Trugbild, eine süffisant grinsende Illusion, … Weiterlesen Ponys und Geister.