An der Wand hängt ein Bild von Mahatma Gandhi, und in der Regel starrt er lediglich ein wenig schläfrig in den Raum, doch manchmal ist er damit beschäftigt, einen Zauberwürfel zu bearbeiten und die gute alte Perfektion der gleichen Farben wiederherzustellen, oder er isst einen Apfel, meistens Golden Delicious, oder er schneidet Grimassen, und jetzt gerade macht er die Daumen-hoch-Geste und zwinkert grinsend, als würde er für gut befinden, was Eva gerade tut, in ihrem Bett, zusammen mit jenem Mann, der vielleicht ihr Freund ist, vielleicht auch nicht, und in einigen Jahren wird sie seinen Namen vergessen haben, doch im Moment heißt er Frederik, und sie muss immer an eine Geschichte denken, die Geschichte von Frederik, der kleinen Fledermaus, man muss den Namen stets mit einer Art holländischem Akzent aussprechen, und dieser Frederik, die kleine Fledermaus, verirrte sich in jener Geschichte in eine Wohnung und verletzte sich, und das kleine Mädchen, das dort mit seinen Eltern wohnte, nahm Frederik auf und pflegte ihn, und am Ende flog Frederik wieder hinaus und kam bisweilen zu Besuch, und nur dank dieser Geschichte von Frederik, der kleinen Fledermaus, hat Eva keine Angst mehr vor Fledermäusen, und während Frederik, der Mann, mit seinem kleinen Penis in sie eindringt, kommt ein Esel ins Zimmer, alt und mager und grau, und sie erschrickt ein wenig, doch der Esel beachtet sie gar nicht, er wirkt sehr arrogant, geht am Bett vorbei und hin zum Fenster und blickt hinaus, obwohl es dunkel ist, und Eva will Frederik auf den Esel aufmerksam machen, doch Frederik keucht nur und presst die Augen zusammen, als könne er ihren Anblick nicht ertragen, und dann beginnt die Wand, sich zu häuten, eine dünne Schicht blättert ab, langsam und stetig, und darunter erscheint eine neue Schicht, frisch und rein, und Gandhi schält derweil eine Banane und beißt genüsslich deren Spitze ab, und sie fragt sich, ob der Plural von Atlas nun Atlasse oder Atlanten ist, von allen Pluralformen ist es die Pluralform von Atlas, die sie immer wieder vergisst, und beinahe möchte sie Frederik fragen, doch Frederik weiß solche Dinge nicht, er kennt wohl jeden Fußballverein in jeder der höchsten Spielklassen in Europa, doch er weiß nicht, wie das Gebirge heißt, das zwischen Frankreich und Spanien liegt, und er glaubt, dass Demokratie eine Hautkrankheit ist, und als Frederik geräuschvoll zum Höhepunkt kommt, schüttelt er sich wie ein Dackel nach einem Regenspaziergang, dann rollt er zur Seite und schläft innert zehn Sekunden ein, und Gandhi schüttelt den Kopf und lässt die Augen in den Höhlen rotieren, dann verharrt er, und sie atmet die verbrauchte Luft in ihrem Zimmer, in welchem sich nun plötzlich nichts mehr regt und bewegt, als wäre die Welt eingefroren; der Esel ist Minuten zuvor aus dem Fenster gesprungen, die Wände sind gehäutet und still, Frederik schnauft laut und wird bald schnarchen, und sie liegt auf dem Bett und streichelt ihren Körper, als wäre er der Körper einer anderen Frau, ihre Finger gleiten über die Brüste dieser Frau, über den Bauch dieser Frau und zwischen die Beine dieser Frau, und dann fliegt eine Fledermaus durchs offene Fenster ins Zimmer, dreht wild flatternd einige Runden und singt dabei einen Song von Van Morrison, Crazy Love, sie hat eine gute Stimme, die Fledermaus, ganz warm und voller Melancholie, doch dann ist der Song zu Ende und die Fledermaus fliegt wieder hinaus in die Dunkelheit, und Eva bleibt allein zurück, allein mit dem Körper dieser anderen Frau, während Frederik neben ihr langsam zu Staub zerfällt, sich allmählich auflöst und schließlich nicht mehr zu sehen ist, und Gandhi nickt ganz kurz und starrt dann wieder ein wenig schläfrig in den Raum.
