Ein Tropfen.

(Dieser lange Satz entstand im Rahmen der Ausstellung ASTRAL SLEAZE mit Arbeiten von Natalie Price Hafslund und Barbara Signer im Projektraum am See im Kornhaus Rorschach und wurde in Form einer Textinszenierung mit Geräuschkulisse aufgeführt. Wer mag, kann die Geräuschkulisse mit einem Klick auf das Play-Symbol abspielen lassen.)   Man hört vereinzelte Tropfgeräusche. (0:00) Steter … Weiterlesen Ein Tropfen.

Rado.

Leon hat seine Armbanduhr verloren und zugleich die Liebe gefunden. Ein guter Handel, findet er, obschon er sich durchaus der Tatsache bewusst ist, dass es eine wunderbare Uhr war, eine Rado, Schweizer Qualitätsarbeit, robust und mit präzisem Uhrwerk. Leon mochte die Datumsanzeige sehr, die Ziffern waren beinahe quadratisch, mit abgerundeten Ecken. Die Uhr hatte ihn … Weiterlesen Rado.

Ursache und Wirkung.

Der Vorhang flattert ein wenig. Das Fenster ist geöffnet, ein leichter Wind dringt hindurch, und darum bewegt sich der Vorhang. Ursache und Wirkung. Die Welt ist so einfach, denkt sie. Tim ist gerade in die Küche gegangen, um Wein zu holen. Sie sollte eigentlich nicht hier sein, sie hat hier nichts zu suchen, sie hat … Weiterlesen Ursache und Wirkung.

Hüpfende Steine.

Sie lassen Steine hüpfen. Einen nach dem anderen schleudern sie auf den See hinaus, immer abwechselnd. Manche hüpfen fünf, sechs, sogar sieben Mal. Andere wiederum versinken beim ersten Mal mit einem banalen Plopp im Wasser. Der junge Mann hat den Eindruck, dass seine Steine meistens häufiger hüpfen als jene seines Freundes. Er fühlt sich unwohl … Weiterlesen Hüpfende Steine.

Das Vorspielen.

Ihre Mutter hätte das Richtige zu sagen gewusst. Sie hatte stets die passenden Worte gefunden, wenn Anita sich fürchtete oder traurig war, sogar damals, als Lulu, ihre Katze, von einem Auto überfahren worden war. Anita überlegt, was ihre Mutter in diesem Moment sagen würde, doch ihr fällt nichts ein, keine klugen Sätze, nicht einmal ein … Weiterlesen Das Vorspielen.

Nach dem Froschregen.

In der Nacht träumte sie, dass es Frösche regnete. Große, plumpe Körper, zu Tausenden und Abertausenden, eine Plage biblischen Ausmaßes. Beim ersten Frosch, der auf ein nahes Blechdach prallte, erschrak sie heftig. Der Regen wurde rasch stärker, und in den ersten Minuten war sie verblüfft darüber, dass es Frösche waren, die vom Himmel fielen. Doch … Weiterlesen Nach dem Froschregen.

Leserbrief an den Stadtanzeiger.

Normalerweise schreibe ich keine Leserbriefe. In meinen Augen sind Leserbriefe oftmals nichts anderes als ein Aufplustern. Irgendein Gockel krächzt gar klagend, welches Unrecht ihm oder seinesgleichen widerfahren ist oder welche Entbehrung er zu erleiden hatte, stellt seine Federn auf, obwohl er weiß, dass sich nichts ändern wird. Das widerstrebt mir, ich finde es befremdlich. Und … Weiterlesen Leserbrief an den Stadtanzeiger.

Eefje.

Sie trafen sich in einem Pub in London. Er weiß nicht mehr, wie es hieß, doch er redet sich ein, dass man das Pub Destiny nannte, Schicksal. Er redet sich vieles ein. Manchmal schnüffelt er an seinem Unterarm und will sich davon überzeugen, dass er dabei winzig kleine Partikel von ihr einatmet, die dem Wind … Weiterlesen Eefje.

Anfängerin.

Da steht ein Bagger am Rande eine Baustelle in der Nähe ihrer Wohnung, und manchmal, am frühen Morgen, wenn das ganze Quartier noch schläft, setzt sich Elisabeth auf den gepolsterten Sessel des Baggers. Während der Tag allmählich erwacht und das Licht immer kräftiger wird, zieht sie an den Hebeln vor ihr und tut so, als … Weiterlesen Anfängerin.

Unter dem Schnee.

Es hatte immer wieder geschneit in diesem Winter, die Tage waren häufig grau und bitterkalt. Der Schnee lag wochenlang auf den Feldern und Wiesen. An manchen Tagen schmolzen einige Zentimeter weg, dann wieder fiel neuer Schnee und ließ die Schicht wieder anwachsen. Was unter der Schneedecke lag, blieb verborgen. Und es war kaum vorstellbar, dass … Weiterlesen Unter dem Schnee.

Möbel.

Er weiß, dass man die Schrauben nicht allzu fest und heftig ins Holz drehen sollte, denn dann würden die Lackierung und wohl auch das Verbundmaterial beschädigt werden. Damit muss man rechnen, wenn man billige Möbel kauft, findet er, man kann zu diesem günstigen Preis keine erstklassige Qualität erwarten. Doch wenn man das Möbel vorsichtig und … Weiterlesen Möbel.

Im Schritttempo.

Sie hätte ein Taxi nehmen sollen. Eva hatte gedacht, dass ihr die frische Luft gut tun würde. Sie hatte gehofft, dass die Wirkung des Alkohols auf dem Nachhauseweg nachlassen und sie sich nicht mehr ganz so betrunken und elend fühlen würde. Diese Hoffnung hat sich zwar erfüllt. Trotzdem war es ein Fehler. Zunächst war Eva … Weiterlesen Im Schritttempo.

Pasta.

Sie wohnten einige Jahre lang im gleichen Haus. Das Haus war voller Leben, war bunt und herzlich, ein wundervoller Mikrokosmos, in welchem so vieles und so viele Platz hatten. Es war ein schönes Haus, denkt Yvonne. Doch vielleicht war es das auch nur wegen ihr. Wegen Francesca. Sie hat sich eine Nudelmaschine gekauft. Schon lange … Weiterlesen Pasta.

Ein dunkelgrau gekleideter Reiter.

Etwa eine Woche, bevor die Welt untergeht, hat Hugo ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle in der Redaktion einer Boulevardzeitung. Er mag die Boulevardzeitung nicht, er liest sie nicht und findet die überdimensionalen Schlagzeilen fürchterlich, doch er ist arbeitslos und antriebslos und braucht Geld, also geht er hin, zu jenem Gespräch. Im Besprechungszimmer hängt ein ziemlich … Weiterlesen Ein dunkelgrau gekleideter Reiter.

Ein möglicher Hund.

Sie hatte nie ein Haustier besessen. Zwar waren da die beiden unglückseligen Goldfische, die ihr ein wohlmeinender Onkel eines Tages ins Kinderzimmer gestellt hatte, doch schon nach wenigen Tagen trieben die beiden Goldfische aus unerfindlichen Gründen leblos an der Wasseroberfläche des kleinen Aquariums, noch bevor sie in der Lage gewesen wäre, den Fischen einen Namen … Weiterlesen Ein möglicher Hund.

Anna mittendrin. (Eine Kindergeschichte)

Anna ist ein Mauswieselmädchen. Anna ist aber auch ein Hermelinmädchen. Es ist nicht so, dass sich Anna nicht entscheiden könnte. Anna ist tatsächlich beides. Denn die Mutter von Anna ist eine Mauswieseldame. Und der Vater von Anna ist ein Hermelin. Das ist merkwürdig, denn normalerweise suchen sich Mauswieseldamen einen Mauswieselherren, und Hermelinherren mögen normalerweise lieber … Weiterlesen Anna mittendrin. (Eine Kindergeschichte)

Im Freibad.

Er war wohl noch ein Kind, als er zum ersten Mal mit dem Gedanken spielte, es zu tun. Wahrscheinlich lag er mit seinen Freunden auf dem akkurat geschnittenen Rasen, und man sprach darüber, machte lapidare Sprüche. Auf die meisten seiner Altersgenossen schien der Gedanke keine Anziehungskraft auszuüben, doch er war umgehend fasziniert von der Vorstellung. … Weiterlesen Im Freibad.

Frau Gustafsson.

Eigentlich hat Ivan gar keine Zeit. Er hat noch Termine in sieben weiteren Häusern im Quartier, um dort die Elektroinstallationen zu prüfen, und sein Chef mag es nicht, wenn er länger als nötig bei Kunden bleibt. Doch Frau Gustafsson beharrt darauf, ihm einen Kaffee zu machen, also setzt er sich auf den alten Polstersessel im … Weiterlesen Frau Gustafsson.

Absender unbekannt.

Beinahe übersieht sie ihn, den Umschlag. Er steckt zwischen einer Kartonverpackung und einer Zeitschrift, und erst, als er zu Boden fällt, fällt er auf. Sie hebt ihn hoch, dreht ihn zwischen ihren Fingern. Dann trägt sie ihn zusammen mit der restlichen Post in ihre Wohnung. In der Kartonverpackung ist ein Buch, das sie bestellt hat; … Weiterlesen Absender unbekannt.