Augentrost.

Seine Augen schreien. Ich sehe ihn regelmässig, im Zug am Abend, er gehört zu meiner Heimfahrt wie die Zigarette am Bahnhof, doch ich kenne ihn nicht. Wie er heisst, was er tut, woher er kommt, wohin er geht; ich weiss es nicht. Er ist merkwürdig, doch das sind wir alle, und wahrscheinlich wäre er mir … Weiterlesen Augentrost.

All die alten Jahre.

Das alte Jahr, es stirbt, sobald das neue in die Gegenwart tritt, es wird zur Vergangenheit, von der man sich unweigerlich entfernt, und was einst das Leben des Moments war, verflüchtigt sich in diffuse Erinnerungen. All die alten Jahre, sie ruhen auf dem Friedhof der Zeit, Stein steht neben Stein und wir stehen da, die … Weiterlesen All die alten Jahre.

Vielleicht ist alles gar nicht so.

Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm. Vielleicht war früher nicht alles besser, sondern nur vieles anders; vielleicht entwickelt sich der Mensch in eine fragwürdige Richtung, lässt den Fragen aber irgendwann Antworten folgen; vielleicht sprengen wir ihn dereinst einfach, den Turm, den wir aus unseren Problemen bauen; vielleicht errichten wir neue Autobahnen, um nicht mehr … Weiterlesen Vielleicht ist alles gar nicht so.

Ein alter Mantel.

Ein alter Mantel, eher zeitlos als modisch, hängt am Haken, wird kaum mehr getragen. Eine kalte Leere wohnt in ihm. Früher trug ich ihn fast immer, er wärmte ganz gut, seine Farbe gefiel mir, und da waren tausend Taschen für tausend Momente, die eminent wichtig schienen. Ein alter Mantel, eher schlicht als üppig geschmückt, hängt … Weiterlesen Ein alter Mantel.

Unter der Decke.

Es ist früher Morgen, die Luft ist kalt und klar. Ein Polizeifahrzeug steht vor dem Altersheim und wirkt seltsam fremd, eingerahmt von der Kulisse des herrschaftlichen Gebäudes. Das Blitzgerät einer Kamera erhellt in sporadischen Abständen die Dunkelheit des erwachenden Tages. Die Polizisten befinden sich seitlich des Hauses. Sie machen Notizen, nehmen Bilder auf, sammeln Gegenstände … Weiterlesen Unter der Decke.

Vielleicht sogar ein Baumhaus.

Die funkelnden Tautropfen im Licht der Morgensonne. Raschelndes Laub unter den Füssen. Und Lieblingslieder, die sich wie ein wärmender Mantel um unsere Schultern legen. Die tanzenden Schneeflocken im Schein des Mondes. Duftender Asphalt nach dem Regen. Und Lieblingsmäntel, die von den Dingen der Vergangenheit erzählen. Die Welt gehört uns. Doch allzu oft wissen wir nicht … Weiterlesen Vielleicht sogar ein Baumhaus.

Frieren für dich.

Deine Haare, sie tanzen nicht, wenn der Wind weht; die Tropfen, sie glitzern nicht auf deiner Haut, wenn der Regen fällt; deine Lippen, sie zittern nicht, wenn es kalt ist; die Schneeflocken, sie schmelzen nicht auf deiner Hand, wenn der Winter kommt. Du frierst nicht, nicht mehr, nie mehr. Ich friere für dich. Ich friere, … Weiterlesen Frieren für dich.

Die Welt sehen.

Wer die Welt durch die Augen der Medien sieht, dürfte wohl kaum davon angetan sein, in ihr leben zu müssen. Es ist ein schrecklicher Mensch, der da irrgeleitet über Bildschirme und durch Zeitungsspalten geistert, zumeist begleitet von Gewalt und Angst, von Egoismus und zweifelhalfen Idealen. Es ist ein Gespenst, fest verankert in der Realität, sich … Weiterlesen Die Welt sehen.

Das Bild.

Wenn alles Licht entschwunden und jede Farbe verblasst ist, wenn das Schwarz der Nacht sich ausbreitet und den Raum in kahles Nichts kleidet, schliesse ich meine Augen, um dich sehen zu können. In meinem Kopf entsteht ein Bild, das wahre Bild von dir, von deinem Gesicht, und meine Hände auf deinem Körper führen das Bild … Weiterlesen Das Bild.

Nicht da.

Was nicht da ist, kann uns dennoch zerstören. Was nicht wirklich ist, kann die Wahrheit entkräften. Und was man nicht loslässt, kann jeden Halt rauben. Werden Tage ungut gefüllt, bleibt nur Leere zurück, ein stummer Raum, der zweifeln und verzweifeln lässt, mit Trugbildern an den Wänden und Tränendunst in der Luft, ein karger Raum, der … Weiterlesen Nicht da.

In der trägen Wärme.

Dein leiser Atem strukturiert die nächtliche Dunkelheit. Du liegst still in der trägen Wärme der reglosen Luft. Wir sind da, seltsam geborgen im Hier und Jetzt, während draussen vor den Fenstern die Welt sich im Kreis dreht. Ich berühre deine Haut, die sich warm über deinen Körper spannt. Ich zeichne Linien, die keiner Richtung bedürfen, … Weiterlesen In der trägen Wärme.

Das Spiel, das wir spielen.

Wir spielen unser Spiel. Wir spielen unsere Rollen. Wir spielen herunter und wieder hoch. Wir spielen uns auf und spielen uns etwas vor, denn spielen können wir eigentlich gar nicht mehr. Wir haben es verlernt, haben die Gabe des Spielens verloren wie wir unsere Unschuld verloren haben. Das Spiel, es geht weiter, es verändert sich, … Weiterlesen Das Spiel, das wir spielen.

Wolken, an den Himmel gemalt.

Wolken, an den Himmel gemalt, und darunter du, kaum erkennbar, kaum da, verloren zwischen Ästen und Zweigen, verloren zwischen Armen von Menschen, die du nicht kennst, und du atmest ein wenig, blinzelst hin und wieder, und manchmal musst du niesen, und du erschrickst und hoffst, dass dich keiner gehört hat, dass du niemanden gestört hast, … Weiterlesen Wolken, an den Himmel gemalt.

Ein Lied über das Gewicht.

Ein leises Knacken in den Knochen, kaum hörbar, kaum da und bereits wieder verstummt, und dennoch dröhnt das Echo in meinen Ohren, lässt mich nicht vergessen. Eine akustische Illusion, ein Mahnmal und Anlass für ein Hinterfragen und Infragestellen des Aushaltens. Ein leises Knacken in den Knochen, ohne Takt und Melodie, und trotzdem, ein Lied über das Gewicht, über Bürde und Last, über das Erträgliche und Ertragbare und über den Moment des ersten Nachlassens. … Weiterlesen Ein Lied über das Gewicht.

Hier.

Man ist immer hier; unabhängig von Koordinaten, in allen Städten und Ländern, auf jedem Platz und hinter jeder Ecke. Man ist immer hier; kommt von da, geht dorthin, ist da gewesen und will dort mal hin. Man ist immer hier; zu Hause, wo auch immer das sein mag, in der Fremde, die eigentlich überall lauert. Man ist immer hier; im Verlust jeder Orientierung, im Gefühl, fehl am Platz zu sein. Man … Weiterlesen Hier.

Schattierungen von Schwarz.

Die Kohlen liegen als Haufen in der Ecke, Staub schwebt schweigsam durch die Luft, wärmt sich in den Strahlen einer zaghaften Sonne, jedes Geräusch hat sich der Stille ergeben, nur ein Wasserhahn tröpfelt leise Klänge in den Raum. Der Mann wischt sich seine Finger am Hemd ab und zeichnet schwarze Spuren auf den weissen Stoff, … Weiterlesen Schattierungen von Schwarz.

Eingekleidet.

Wir kommen nackt zur Welt und verlassen sie im Anzug, und dazwischen werden wir eingekleidet, erst von elterlichen Händen, dann von der Vorstellung, wie wir auszusehen haben, was wir wo und wann und wie zu tragen haben, und wir kleiden und verkleiden uns, vielleicht zur Tarnung, vielleicht zum Schutz, wovor auch immer, und wir bedecken … Weiterlesen Eingekleidet.

Ein Satz über ein fragiles Gemälde auf ihrem Bauch.

Die Sonne wirft ihr Licht durch ein Fenster und zeichnet ein Rechteck auf ihre Haut, und sie spürt die Wärme, mit leicht zitternden Fingern folgt sie den Konturen der Form, streichelt sie behutsam, wie ein fragiles Gemälde auf ihrem Bauch, und langsam tastet sie sich hin zu ihren Brüsten, beinahe zaghaft gleiten ihre Fingerspitzen nach … Weiterlesen Ein Satz über ein fragiles Gemälde auf ihrem Bauch.