Altes Haus.

Noch steht es da. Da auf dem Hügel. Während die Zeit an ihm zerrt. Einst war es schön, das Haus. Es war stolz. Es war voller Charakter, voller Leben. Es war beeindruckend. Es war lebendig, das Haus. Es war nicht neu, nicht modern, aber zeitgemäß. Es war gegenwärtig, das Haus. Jetzt ist es nur noch … Weiterlesen Altes Haus.

Lena rennt.

Sie rennt und rennt, rennt und rennt, und während sie rennt, hört sie es dumpf in ihren Ohren pochen, hört den Rhythmus ihres Herzschlags, er klingt wie ein elektronischer Beat, und sie denkt an den Film Lola rennt und an die treibende Musik darin und daran, dass Lola rennt, weil sie Geld besorgen will, das … Weiterlesen Lena rennt.

Hier und jetzt.

Hier und jetzt ist alles in Ordnung. Hier und jetzt sind wir genau richtig. Hier und jetzt kann uns nichts passieren. Hier und jetzt kann uns niemand etwas tun. Hier und jetzt sind wir ganz bei uns. Hier und jetzt schließen wir die Augen und sehen klarer. Hier und jetzt ist alles neu. Hier und … Weiterlesen Hier und jetzt.

Alles so leicht.

Die hohen Grashalme neigen sich leicht im Wind und der Wind ist warm und die Wärme ist spürbar auf der Haut, die Sonnenstrahlen dringen durch die Poren, durch Fleisch und Blut bis tief hinein ins Innerste, und die wenigen Wolken hängen in Fetzen am Himmel, jede von ihnen wirkt wie eine wilde und freie Kreatur, … Weiterlesen Alles so leicht.

Erosion.

Die Wege, die sie üblicherweise geht, tragen keine Verbindlichkeit in sich. Die Bilder, die das Licht in ihre Augen malt, wirken diffus und fremd. Die Gerüche, die ihr vertraut sein müssten, wecken lediglich Verunsicherung. Die Berge, denen sie entgegenruft, werfen keinen Widerhall zu ihr zurück. Die Worte, die sie spricht, klingen wie Behauptungen, die früher … Weiterlesen Erosion.

Schreckliche Kinder.

Kinder sind schrecklich. Und ja, alle Kinder, ohne jede Ausnahme. Kinder sind aus schrecklich vielen Gründen schrecklich. Kinder sind schrecklich, weil sie ihre ersten Schritte vielleicht noch in die Richtung ihrer Eltern gehen, sich danach aber wieder entfernen, immer mehr, Schritt um Schritt, Tag für Tag. Kinder sind schrecklich, weil sie nicht vergessen, dass man … Weiterlesen Schreckliche Kinder.

Fä(h)lensee.

Auf der Strecke zwischen den beiden Seen liegt eine Ebene, ein Bächlein schlängelt sich in steinigem Bett durch die Wiesen, das Plätschern vermengt sich mit dem hellen Klang der Kuhglocken. Wenn man einatmet und den Atem anhält, steht die Zeit still. Wenn man will. Man schaut immer wieder zurück, hin zum Sämtisersee, der wie eine … Weiterlesen Fä(h)lensee.

Sieben Sekunden.

Die Zeit platzt bisweilen aus ihren Nähten. Von den vierundzwanzig Stunden, die den Rhythmus ihres Daseins strukturieren, kann die Frau zumeist nur deren vier oder fünf entbehren, um sich in ihrem lieblosen Schlafzimmer einen lieblos gezimmerten Schlaf zu gönnen. Die übrigen Stundenbruchteile sind gefüllt mit den Dingen des Alltags, mit Druck und Erwartungen, von anderen … Weiterlesen Sieben Sekunden.

Gregoria ist verärgert.

Gregoria ist verärgert, sie ist wahrlich verärgert, nicht immer, aber doch ziemlich häufig, sehr häufig sogar, denn das Wort ziemlich ist ziemlich relativierend, fast so relativierend wie das Wort relativ, und Gregoria ist nicht relativ häufig verärgert, auch nicht ziemlich häufig verärgert, sondern sehr häufig verärgert, sie ist auch verärgert über Wörter wie ziemlich und … Weiterlesen Gregoria ist verärgert.

Wisch.

Der Wind hat wieder nachgelassen. Das graue Rechteck ist übersät von trockenen Blättern und vereinzelten Fetzen Papier oder Plastik, die hin und wieder von den schwachen Windstößen in Bewegung versetzt werden. Er müsste den Vorplatz vor dem Haus eigentlich nicht fegen. Es besteht keine Notwendigkeit, keine Dringlichkeit, schließlich wird der Wind bald wieder zunehmen und … Weiterlesen Wisch.

Wider die Klarheit.

Der Wein ist günstig, aber nicht billig. Darauf legt sie Wert. Sie trinkt keinen Fusel, würde nie Fusel trinken, will den Wein nicht als bloßes Mittel zum Zweck verstehen. Doch dieses Präzisieren und Insistieren ist eigentlich haltlos. Sie muss niemandem Rechenschaft ablegen, nur sich selbst, und das kommt am Ende aufs Gleiche heraus. Obwohl es … Weiterlesen Wider die Klarheit.

Ein altes, müdes Tier.

Die Welt flackert, eine Bildstörung, flüchtige Irrlichter in der Dämmerung. Dein rechtes Auge, es zuckt wieder. Das Zucken gehört zu dir wie deine Stimme, dein Gang, dein Schniefen, wenn du erkältet bist. Du streichst dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, doch sie fällt sofort zurück. Du versuchst es nochmals. Scheiterst erneut. Also gibst du auf. … Weiterlesen Ein altes, müdes Tier.

Sie ist.

Ich bin eine 25-jährige Frau. Nein, ich bin eine 39-jährige Frau. Nein, ich bin ein kleiner Junge, der im Körper einer 39-jährigen Frau wohnt. Nein, ich bin eine 52-jährige Frau, die sich vorstellt, ein kleiner Junge zu sein, der im Körper einer 39-jährigen Frau wohnt, die gerne eine 25-jährige Frau wäre. Ich bin ziemlich verwirrt. … Weiterlesen Sie ist.

Der unermessliche Reichtum.

Ankündigung Am Samstag, 8. Januar, wird bei der mächtigen Ulme auf dem großen Feld am Dorfrand etwas Außergewöhnliches geschehen. Jede Person, die teilnimmt, wird fürstlich belohnt werden und unermesslichen Reichtum nach Hause nehmen. Mehr wird nicht verraten. *** Die kleine Karte, die eines Tages in den Briefkästen aller Haushalte des Dorfes lag, wirkte reichlich unscheinbar. … Weiterlesen Der unermessliche Reichtum.

Zeitrechnung.

Irgendjemand sagt, das Leben sei ein Nullsummenspiel, doch irgendjemand irrt sich, findet sie. Natürlich weiß sie es nicht; Gewissheit gibt es erst, wenn sie nicht mehr vonnöten ist. Aber sie glaubt nicht, dass am Ende ihres Lebens eine Null stehen wird. Die Gleichung mag aufgehen, muss wohl aufgehen. Dass aber nichts mehr übrigbleibt, erscheint ihr … Weiterlesen Zeitrechnung.

Das perfekte Versteck.

Ein Stück Rinde steht vom Holzstapel ab, ragt hinaus und zeichnet sich wie ein Dolch vor dem schwarzrotblauen Himmel ab, der sich von Minute zu Minute verdunkelt. Er würde das merkwürdige Objekt gerne berühren, es in die Hände nehmen, doch es befindet sich zu weit oben; um es zu erreichen, müsste er am Holzstapel hochklettern, … Weiterlesen Das perfekte Versteck.

Denkwürdig.

Sie hat ein Eichhörnchen überfahren. Es lief vor ihr über die Straße, und die Straße war nass, und die Sonne, die durch die Wolkendecke gebrochen war, hatte sie geblendet, und sie war wirklich aufmerksam und konzentriert, sie war eigentlich eine gute Autofahrerin, und sie hat noch versucht, dem Tier auszuweichen, doch das alles ändert nichts … Weiterlesen Denkwürdig.

Anatoli und Arthur.

Am Ende hat alles ganz am Anfang angefangen, nicht erst in jüngster Vergangenheit, nicht erst mit der Zeit, nicht erst im Verlauf der Jahre und auch nicht erst, seitdem die Tasse fliegt, und Arthur ist nicht irritiert, dass Anatoli eine Tasse in seine Richtung geworfen hat, doch er ärgert sich, dass es seine Tasse ist, … Weiterlesen Anatoli und Arthur.