Am Ende hat alles ganz am Anfang angefangen, nicht erst in jüngster Vergangenheit, nicht erst mit der Zeit, nicht erst im Verlauf der Jahre und auch nicht erst, seitdem die Tasse fliegt, und Arthur ist nicht irritiert, dass Anatoli eine Tasse in seine Richtung geworfen hat, doch er ärgert sich, dass es seine Tasse ist, jene Tasse, die Arthur einst bei Starbucks hatte mitgehen lassen, in einem Anfall von Übermut und mit einem Gefühl der Genugtuung, weil ihm die überrissenen Preise des Kaffees für einmal gerechtfertigt schienen, und während die Tasse in seine Richtung unterwegs ist, betrachtet Arthur die traurige Wut oder wütende Traurigkeit in Anatolis Gesicht und wundert sich darüber, wie sehr diese Emotionen die Gesichtszüge entstellen, das pralle Leben, das Anatoli ansonsten aus jeder Pore zu drängen scheint, hat einer tiefroten Energie Platz gemacht, die Augen sind zu kleinen Schlitzen verkommen, und wenngleich Arthur keine Angst vor Anatoli hat, so registriert er dennoch, wie die merkwürdige Beklommenheit, die schon immer da war, noch grösser geworden ist, und schon bei ihrem ersten Treffen, von einem gemeinsamen Freund initiiert, verspürte Arthur einen Moment lang ein unerklärliches Unwohlsein, und obwohl er sich von Anfang an zu Anatoli hingezogen fühlte und die Unbeholfenheit mochte, mit welcher er seine Weichheit in eine harte Schale zu verpacken versuchte, war da doch auch stets etwas Ungreifbares in Anatolis Wesen, als würde ein Teil seiner Persönlichkeit gut getarnt im Ungewissen liegen, unantastbar und geschützt, und während die Tasse allmählich näherkommt, wird Arthur kurz ein wenig wütend auf sich selbst, weil er die Dellen in Anatolis Charakter auf dessen russische Herkunft zurückführt, und Arthur fragt sich, ob dies nun russistisch sei, und lacht nach diesem gedachten Wortspiel einen Moment lang auf, beginnt aber gleichzeitig instinktiv, seinen Arm zu heben, denn die Tasse ist relativ schwer und Anatolis Wurfarm ziemlich kräftig, das ist Arthur bewusst, er kennt Anatolis Kraft genau, kennt jeden Muskel in seinem Körper, schließlich sind Anatoli und er nun seit sechs Jahren ein Paar, und Arthur weiß, dass mit der Tasse wohl auch die Beziehung unwiderruflich in die Brüche gehen wird, wobei er die Tasse theoretisch auffangen könnte, wenn er reaktionsschnell genug wäre, was er aber zweifellos nicht ist, doch die Beziehung kann er nicht auffangen, und wahrscheinlich will er es auch nicht, wollte es vielleicht nie, und wie bei einem Diavortrag tauchen Bilder auf, Bilder von Anatoli und ihm, und eines dieser Bilder zeigt sie, wie sie auf der Terrasse einer Bar sitzen, vor ihnen Weißweingläser, hinter ihnen das Meer, über ihnen ein Himmel, an dem keine Wolke steht, und auf einem anderen Bild sieht man sie von hinten, wie sie an der Reling eines Schiffes lehnen und aufs Wasser blicken, dann Anatoli und Arthur auf einem Wanderausflug im Gebirge, Anatoli und Arthur in einem Tretboot, Anatoli und Arthur in der Gondel eines Riesenrades, Anatoli und Arthur an einem Flughafen, Anatoli und Arthur im Bett, Anatoli und Arthur an einem Tisch mit Freunden, Anatoli und Arthur vor einem Wald, es sind allesamt Momentaufnahmen, kurze Fragmente von kleinen Geschichten, eingebettet in eine größere Geschichte, und jedes Bild erscheint und verschwindet wieder, ist nur einen Augenblick lang präsent und wird umgehend zu einer Erinnerung, zu einer Behauptung, hängt wie ein visueller Nachklang im luftleeren Raum und verblasst dann, und die Echos der verschiedenen Bilder fließen ineinander, vermengen sich zu einem graubraunen Gemisch, dem jegliche Formen und Konturen fehlen, und Arthur fragt sich, wann ihm bewusst geworden ist, dass die Geschichte, welche die Bilder erzählen, keine unendliche Geschichte ist, und dass Fuchur längst verschwunden und vielleicht sogar gestorben ist, nein, Fuchur ist nicht mehr zu sehen, da ist nur noch eine merkwürdige Meerjungfrau, direkt vor seinem Gesicht, und während Arthur das Starbucks-Logo mustert, wird ihm klar, dass es zu spät ist, die Augen noch zu schließen, auch sein sich noch immer hebende Arm wird keinen Schutz mehr bieten können, die Tasse wird ihn treffen, wird ihn verletzen, vielleicht sogar seine Nase brechen, und er sieht es kommen, hat es schon immer kommen gesehen, doch erst jetzt ist es unausweichlich geworden, und vielleicht ist es am Ende gar nicht so schlimm, dass es seine Tasse ist, denkt Arthur, vielleicht muss es so sein, und als der Aufprall schließlich kommt, hört er ein leises Oh von Anatoli, aber womöglich hat er sich am Ende auch geirrt.

In meiner Kartenspielumgebung gibt es (einige) lesbische Paare. Früher habe ich immer gedacht, sie müssten so viel besser sein, weil sich ja gewissermaßen „gleich und gleich“ zueinander gesellt. Scheint aber ein Irrtum meinerseits gewesen zu sein.
Hoffentlich macht nicht die schlechte Politik eines bekannten Politikers auch seine private Beziehung kaputt – mich würde das als PernerIn sehr belasten.
Liebe Grüße
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Mache bitte aus der „PernerIn“ eine PartnerIn.
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Ich glaub, Beziehungen sind manchmal grossartig und manchmal schwierig, manchmal himmelhochjauchzend und manchmal scheiternd, ganz unabhängig von Geschlechtern und anderen Aspekten… Vielen Dank dir fürs Lesen und herzliche Grüsse zurück…
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Auch Männerbeziehungen können zuende gehen. Sie sind auch nicht immer Glanz und Gloria, so wie in den Medien oft dargestellt…
Man sieht die Tasse förmlich fliegen, lieber Disputnik, während des Lesens, in Zeitlupe … spannend geschrieben… der Aufprall bleibt Fantasie.
Herzliche Grüße vom Finbar
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Ich glaube, fliegende Tassen machen keinen Unterschied bezüglich Geschlecht oder dergleichen 😉
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, lieber Finbar, und herzlichste Grüsse zurück!
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🙂
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