Die Wege, die sie üblicherweise geht, tragen keine Verbindlichkeit in sich. Die Bilder, die das Licht in ihre Augen malt, wirken diffus und fremd. Die Gerüche, die ihr vertraut sein müssten, wecken lediglich Verunsicherung. Die Berge, denen sie entgegenruft, werfen keinen Widerhall zu ihr zurück. Die Worte, die sie spricht, klingen wie Behauptungen, die früher oder später widerlegt werden. Die Haut, die sich um ihr Fleisch spannt, ist ihr kein Schutz mehr. Die Stimme, mit der ihr Spiegelbild zu ihr spricht, ist die Stimme einer fremden Frau. Die Welt, die sie stets zu erklären wusste, ist nunmehr voller Rätsel. Die Zeit, die üblicherweise in klaren Bahnen vorwärtsfloss, ist aus den Fugen geraten.
Sie ist die Plastiktüte, die dem Zerren des Windes ausgeliefert ist. Sie ist das Taumeln einer Betrunkenen. Sie ist das Schloss ohne Schlüssel. Sie ist der Hang, der ins Rutschen gerät. Sie ist die Unschärfe. Sie ist das Bröckeln alter Häuser. Sie ist die blinde Landschaft im Nebel. Sie ist die Haltlosigkeit von Trugbildern. Sie ist der schwebende Staub in leeren Räumen. Sie ist die Wortlosigkeit. Sie ist die Erosion.
Woran soll sie sich halten? Wie soll sie einordnen, wenn die Ordnung abhandengekommen ist? Was kommt nach der Sprache? Wann verharrt die Zeit? Was bleibt verloren? Was bleibt übrig? Was bleibt zu tun? Was bleibt?
„Alt werden tut weh“, das war ein häufiger Kommentar meiner Mutter. Es tut weh, ja. Weil es ein einsamer Weg ist, weil es ein fortwährendes Schwinden ist und weil es das Verschwinden am Ende bedeutet. Auch egal, wie viele Leute dieses Schwinden begleiten. Sie bleiben an gewissen Stellen außen vor und am Ende auch. Hätten etliche alte Leute, die ich kannte, mit oder ohne Familien, Freunden, Hunden, Katzen Sonstigen Worte finden wollen, hätten sie vielleicht Bilder beschworen, ähnlich Deinen. So fassten sie es in einem einzigen Satz zusammen: Alt werden tut weh.
Stark und danke …und ganz liebe Grüße zu Dir von
Amélie
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Ja, alt werden tut weh, manchmal weniger, manchmal mehr. Dabei zuschauen auch. Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine tiefen Gedanken dazu. Ganz herzliche Grüsse zurück!
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Interessante Gedanken
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Vielen Dank dir fürs Lesen!
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Gerne
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