Altes Haus.

Noch steht es da. Da auf dem Hügel. Während die Zeit an ihm zerrt. Einst war es schön, das Haus. Es war stolz. Es war voller Charakter, voller Leben. Es war beeindruckend. Es war lebendig, das Haus. Es war nicht neu, nicht modern, aber zeitgemäß. Es war gegenwärtig, das Haus. Jetzt ist es nur noch … Weiterlesen Altes Haus.

Null zu null.

Das Display zeigt 0:00. Man drückt Play. Zuerst ein paar Klaviertöne, ein zurückhaltendes Schlagzeug, dann die Stimme von Damien Jurado, der davon singt, sich heute Abend zurückzuziehen. Tonight I will retire. Die Reise ist bald vorüber. In gewissen Momenten vermag ein solches Lied zu Tränen zu rühren, auch wenn Damien Jurado davon singt, keine Tränen … Weiterlesen Null zu null.

Ausfransen.

Sie waren doch Hüter und Helden. Waren so gross und so gescheit. Waren Beschützer und Betreuer. Waren so lebendig und so lustig. Waren Lehrer und Lenker. Waren so warm und so wachsam. Waren Heim und Herz. Waren so geistvoll und so gegenwärtig. Sie waren doch all das. Und so viel mehr. Was bleibt von allem? … Weiterlesen Ausfransen.

Unvollendet.

Es ist nicht fertig geworden. Es ist nicht fertig geworden, das Buch, denn jener, der es schrieb, ist nicht fertig geworden, bevor er starb. Obwohl, das Buch, es ist eigentlich fertig geworden, es ist gedruckt, es ist veröffentlicht, man hält es in Händen, doch der Untertitel bezeichnet es als unvollendeten Roman. Ein Fragment, vielleicht, doch … Weiterlesen Unvollendet.

Der Rasenmähermann.

Er ist ein alter Mann, der Rücken ist längst krumm vom Gewicht der vielen Jahrzehnte, der Kopf ist tief zwischen die Schultern gerutscht. Wenn er jemanden grüßt, heben sich sein Kopf und sein Arm in identischen Bewegungen, beinahe so, als wären sie miteinander verwachsen. Er hat den Blick meistens gesenkt, darum sieht er nur wenige … Weiterlesen Der Rasenmähermann.

Hohlraum.

Die Wachtel war schon längere Zeit krank gewesen. Als sie eines Tages ihre Augen nicht mehr aufschlug, war ihr wohl ein beträchtliches Gewicht von den Schultern genommen worden. Man dachte das Wort Erlösung, doch man sagte es nicht, denn die restlichen Wachteln hätten es nicht verstehen, geschweige denn einordnen können. Man wollte von den übrigen … Weiterlesen Hohlraum.

Werner Huber hat genug.

Ich habe genug, ruft er, und er tut es laut, mit einem metallischen, schneidenden Klang in der Stimme. Seine Botschaft durchbricht die träge Stille, die in den Räumen der Pflegestation liegt, hallt von den zumeist kahlen Wänden zurück. Kurz ist das Klappern von Geschirr zu hören, dann wieder der Ausruf. Ich habe genug! Es ist … Weiterlesen Werner Huber hat genug.

Der Hauch des Todes.

Er habe Mundgeruch, murmelt sie mit belegter Stimme, ein bisschen, oder vielleicht auch ein bisschen mehr als nur ein bisschen. Mehr sagt sie nicht, sie schläft schon halb, als sie ihm diese Erkenntnis mitteilt, und einige Sekunden später schläft sie wohl ganz, denn ihr Atmen verändert sich, wird regelmäßiger. Eigentlich ist es nett, dass seine … Weiterlesen Der Hauch des Todes.

Endlich.

Als es endlich zu Ende geht, ist er erstaunt, dass es so lange gedauert hat, und meint damit sowohl das Sterben als auch das Leben. Er hat sich zuvor nur selten Gedanken über die Zeit gemacht, doch jetzt, an ihrem Ende, fragt er sich, was sie eigentlich bedeutet, welchen Wert sie hat, welches Gewicht. Könnte … Weiterlesen Endlich.

Delirium.

Eva erschrickt, als es kurz nach dem Eintreten hell wird im Flur. Die Wohnung der alten Anna ist generell schlecht beleuchtet, doch der Eingangsbereich ist zweifellos die dunkelste Stelle von allen, zumindest bis anhin. Jetzt hängt da eine kleine Lampe an der Wand, wahrscheinlich batteriebetrieben, eine kleine Kunststoffkugel lässt auf einen Bewegungsmelder schließen, was wiederum … Weiterlesen Delirium.

Landwirtschaft und Liebe.

Bert liest eine Geschichte von einem, der eine Geschichte liest, und in dieser Geschichte geht es um Landwirtschaft, doch Bert hat keine Ahnung von Landwirtschaft, Agrarwissenschaften sind ihm völlig fremd, und der einzige Bauer, den er kennt, kennt er noch von früher, aus der Schule, damals war er ein stämmiger Junge mit einem dicken Hals, … Weiterlesen Landwirtschaft und Liebe.

Margeriten.

Sie schaut auf ihre Schuhe, auf die Art und Weise, wie die Schnürsenkel zur Seite hängen. Sie betrachtet die Stelle, an welcher die lederne Zunge des Schuhs endet und ihr Bein beginnt, diese Grenze zwischen der Haut eines toten Tieres und der Haut eines lebendigen Menschen. Es ist seltsam, wie sich alles ineinanderfügt, aber dennoch … Weiterlesen Margeriten.

Blumenmädchen.

Das Mädchen hält die Blumen in der Hand und die Hand ins Wasser. Wo es auch geht und steht, wohin es sich auch verirrt und treiben lässt, es hält die Blumen ins Wasser; an kleinen Seen und unentwegt zerrenden Flüssen, an gurgelnden Bächen, an jedem Brunnen. Es hat die Blumen nicht gepflückt, hat die Stiele … Weiterlesen Blumenmädchen.

Zwei schweigen.

Am Straßenrand hängt ein junger Mann an einem Kreuz, die Arme ausgebreitet, den Kopf leicht abgewinkelt. An den Handflächen ist das Blut eingetrocknet, dunkle Flecken umranden die Stellen, an denen man ihm die Nägel durch das Fleisch getrieben hat. Sein Gesicht sieht traurig aus. Sie steigt von ihrem Fahrrad, lehnt es an die Leitplanke und … Weiterlesen Zwei schweigen.

Es kommt.

Leise rieselt der Schnee. Die Welt ist so dicht eingehüllt, dass fast nichts mehr klingt, nur in der Ferne glaubt sie das Brummen eines Schneeräumungsfahrzeuges wahrzunehmen. Sie schließt das Badezimmerfenster wieder und stellt sich vor den Spiegel, drückt sich ein wenig Körperlotion in die Handfläche und beginnt, ihre Haut einzureiben. Sie mag das, mag diese … Weiterlesen Es kommt.

21A.

Dana steigt in ein Flugzeug und schluckt einige Male leer, bis der Hals schmerzt. Sie hat vor nichts und niemandem so große Angst wie vor dem Fliegen. Die Angst hockt nicht nur in ihrem Kopf, sondern breitet sich im ganzen Körper aus, fließt in alle Glieder. Nachdem sie sich auf ihren Platz mit der Nummer … Weiterlesen 21A.

Der Teufel.

Sie vermag nicht einzuschätzen, wann es begann. Es dauert schon lange an, glaubt sie, doch die Zeit hat ihre Kalkulierbarkeit verloren; Stunden sind kaum von Tagen zu trennen, die Wochen sind Treibgut in einem trägen Fluss. In meiner Brust ballt der Teufel eine Faust. So lautet ihre Antwort, wenn jemand fragt, was los sei. Kaum … Weiterlesen Der Teufel.