Überflüssig.

So vieles im Leben und auf der Welt ist ziemlich überflüssig, absolut verzichtbar und vollkommen unnötig. Zum Beispiel manche Adjektive. Schnecken im Salatbeet. Die Tatsache, dass Nutellabrote beim Herunterfallen immer mit der Nutellaseite auftreffen. Die Art und Weise, wie man das Klischee, dass Nutellabrote beim Herunterfallen immer mit der Nutellaseite auftreffen, zur Tatsache erklärt. Mücken … Weiterlesen Überflüssig.

Gazpacho.

Draußen hängt die Hitze zwischen den Zweigen der Birke im Garten des Nachbarn. Die Hitze hängt auch im Brombeerbusch, im Gestrüpp neben den Briefkästen, über dem Asphalt der kleinen Quartierstrasse, zwischen den Speichen des alten Fahrrads, das offensichtlich niemandem gehört und stumm vor sich hin rostet. Die Hitze, sie hängt überall, nur in Lena hängt … Weiterlesen Gazpacho.

Heul doch!

Herbert schaut einen banalen Hollywood-Film, als etwas Merkwürdiges geschieht. Gezeigt wird, wie sich ein Mann und sein Vater nach langem Streit versöhnen und in die Arme schließen. Die Filmmusik ist voller Geigen, das Bild wird geflutet von warmen Farben, doch das Merkwürdige ist nicht die Szene an sich, sondern das, was sie mit Herbert macht. … Weiterlesen Heul doch!

Erosion.

Die Wege, die sie üblicherweise geht, tragen keine Verbindlichkeit in sich. Die Bilder, die das Licht in ihre Augen malt, wirken diffus und fremd. Die Gerüche, die ihr vertraut sein müssten, wecken lediglich Verunsicherung. Die Berge, denen sie entgegenruft, werfen keinen Widerhall zu ihr zurück. Die Worte, die sie spricht, klingen wie Behauptungen, die früher … Weiterlesen Erosion.

Immer ist was.

Immer, wenn sie denkt, dass immer was ist, fragt sie sich, warum immer was ist und ob es nicht möglich wäre, dass für einmal nichts ist. Immer ist was. Immer, wenn sie sich hinsetzen möchte, fällt ihr etwas ein, das zu tun wäre oder das sie erledigen müsste, und meistens tut sie es und erledigt … Weiterlesen Immer ist was.

So einfach.

Wenn die Sonne in ihr Gesicht scheint, schliesst sie die Augen, legt den Kopf in den Nacken, spürt die Wärme auf der Haut, sieht kleine Punkte vor den geschlossenen Lidern tanzen, und dann, in diesem Moment, denkt sie, dass es doch so einfach sein könnte, alles könnte so einfach sein, die Widerhaken in der Zeit … Weiterlesen So einfach.

Schreckliche Kinder.

Kinder sind schrecklich. Und ja, alle Kinder, ohne jede Ausnahme. Kinder sind aus schrecklich vielen Gründen schrecklich. Kinder sind schrecklich, weil sie ihre ersten Schritte vielleicht noch in die Richtung ihrer Eltern gehen, sich danach aber wieder entfernen, immer mehr, Schritt um Schritt, Tag für Tag. Kinder sind schrecklich, weil sie nicht vergessen, dass man … Weiterlesen Schreckliche Kinder.

Unvollendet.

Es ist nicht fertig geworden. Es ist nicht fertig geworden, das Buch, denn jener, der es schrieb, ist nicht fertig geworden, bevor er starb. Obwohl, das Buch, es ist eigentlich fertig geworden, es ist gedruckt, es ist veröffentlicht, man hält es in Händen, doch der Untertitel bezeichnet es als unvollendeten Roman. Ein Fragment, vielleicht, doch … Weiterlesen Unvollendet.

Andi.

Andi war ein bisschen dicker als die anderen Kinder, sein Mittelscheitel war ein bisschen zu akkurat, seine Stimme war ein bisschen höher, seine Hosen waren stets ein bisschen zu klein und die Schuhe ein bisschen zu groß. Andi war einfach ein bisschen anders als der Rest, doch dieses Bisschen reichte, um regelmäßig gehänselt, ausgelacht, ignoriert, … Weiterlesen Andi.

Judith, Judith Hermann und das Immergleiche.

In einer Kurzgeschichte erzählt Judith Hermann davon, wie ihre Eltern – oder die Eltern ihres literarischen Ichs – zu reisen begannen, nachdem die Kinder erwachsen geworden waren. Sie reisten nach Griechenland, nach Frankreich, nach Italien, waren oft wochenlang unterwegs. In der Geschichte geht es vornehmlich darum, wie die Eltern von Judith Hermann nach Venedig gereist … Weiterlesen Judith, Judith Hermann und das Immergleiche.

Fä(h)lensee.

Auf der Strecke zwischen den beiden Seen liegt eine Ebene, ein Bächlein schlängelt sich in steinigem Bett durch die Wiesen, das Plätschern vermengt sich mit dem hellen Klang der Kuhglocken. Wenn man einatmet und den Atem anhält, steht die Zeit still. Wenn man will. Man schaut immer wieder zurück, hin zum Sämtisersee, der wie eine … Weiterlesen Fä(h)lensee.

Eine andere.

Sie stellt sich vor, wie es wäre, eine andere zu sein, doch sie scheitert, wie so oft, nein, wie immer, wie jedes Mal, denn die Vorstellung, eine andere zu sein, endete bisher ausnahmslos im Scheitern, im Misslingen, im Fehlschlagen, sie kann wohl noch tausend Mal versuchen, sich vorzustellen, eine andere zu sein, und dennoch bleibt … Weiterlesen Eine andere.

Hohlraum.

Die Wachtel war schon längere Zeit krank gewesen. Als sie eines Tages ihre Augen nicht mehr aufschlug, war ihr wohl ein beträchtliches Gewicht von den Schultern genommen worden. Man dachte das Wort Erlösung, doch man sagte es nicht, denn die restlichen Wachteln hätten es nicht verstehen, geschweige denn einordnen können. Man wollte von den übrigen … Weiterlesen Hohlraum.

Die Verkabelung.

Sie wohnt in einem gefährlichen Haus. Da sind morsche Balken, knarrende Dielen. Da sind Löcher im Dach und kleine Ritzen in der Fassade, durch die der Wind pfeift. Doch vor allem ist da die Verkabelung. Die elektrischen Installationen sind nicht sicher. Sie sind alt und brüchig. Obwohl sie die Kabel nicht sehen kann, weil sie … Weiterlesen Die Verkabelung.

Gregoria ist verärgert.

Gregoria ist verärgert, sie ist wahrlich verärgert, nicht immer, aber doch ziemlich häufig, sehr häufig sogar, denn das Wort ziemlich ist ziemlich relativierend, fast so relativierend wie das Wort relativ, und Gregoria ist nicht relativ häufig verärgert, auch nicht ziemlich häufig verärgert, sondern sehr häufig verärgert, sie ist auch verärgert über Wörter wie ziemlich und … Weiterlesen Gregoria ist verärgert.

Ohne darüber zu reden.

Als sie das erste Mal darüber redet, ohne darüber zu reden, sagt sie das:«Ich habe es ihm versprochen. Habe ihm mein Wort gegeben, niemandem davon zu erzählen, solange er lebt. Habe ihm und mir selbst geschworen, das Geheimnis zu bewahren und mit niemandem darüber zu reden. Darüber, was er getan hat.» Als sie das zweite … Weiterlesen Ohne darüber zu reden.

Wisch.

Der Wind hat wieder nachgelassen. Das graue Rechteck ist übersät von trockenen Blättern und vereinzelten Fetzen Papier oder Plastik, die hin und wieder von den schwachen Windstößen in Bewegung versetzt werden. Er müsste den Vorplatz vor dem Haus eigentlich nicht fegen. Es besteht keine Notwendigkeit, keine Dringlichkeit, schließlich wird der Wind bald wieder zunehmen und … Weiterlesen Wisch.