Margeriten.

Sie schaut auf ihre Schuhe, auf die Art und Weise, wie die Schnürsenkel zur Seite hängen. Sie betrachtet die Stelle, an welcher die lederne Zunge des Schuhs endet und ihr Bein beginnt, diese Grenze zwischen der Haut eines toten Tieres und der Haut eines lebendigen Menschen. Es ist seltsam, wie sich alles ineinanderfügt, aber dennoch stets getrennt bleibt. Alles um sie herum ist greifbar, die Treppe, auf der sie sitzt, das Geländer, ihr Haar, ihre Nase, mit ein wenig Glück sogar die Fliege, die unaufhörlich um ihren Kopf schwirrt. Dennoch taugt nichts davon, um sich daran festzuhalten. Wenn sie den Fuss jetzt von der Stelle nimmt, an welcher er liegt, wird sie ihn nie mehr in die gleiche Position bringen können. Es ist gut, dass sich alles verändert. Es ist schrecklich, dass sich alles verändert.

Vor einer halben Stunde hat sie Blumen gepflückt, langstielige Margeriten, hat die Stängel im unteren Bereich geknickt und zertrennt. Sie hat die Pflanzen getötet, um ein wenig Leben in ihre kleine Wohnung zu bringen. Manchmal ist sie irritiert, wie paradox die Dinge sein können. Draussen vor der Tür wachsen unzählige weitere Margeriten aus der Erde, während bei den Exemplaren in ihren Händen bereits der Zerfall eingesetzt hat. Man sieht es ihnen noch nicht an, sie wirken noch frisch und kräftig. Sie denkt an die Sterne, die man von der Erde noch leuchten sieht, obwohl sie längst verglüht sind. Der Lauf der Zeit, er ist unaufhaltbar. Und er trifft nicht nur Blumen und Sterne. Sie schaut auf die Margeriten. Dann auf ihre Schuhe. Dann auf einen unsichtbaren Punkt, irgendwo dazwischen. Es ist gut, dass sich alles verändert. Es ist schrecklich, dass sich alles verändert.