Sie blickt von oben hinab auf den Boden mit dem hellen Parkett und dem eigentümlichen Muster. Zunächst war der Fleck kaum zu erkennen, war lediglich ein dunkler Punkt, eine kleine Irritation im großen Ganzen. Aber bald bemerkte die junge Frau eine Veränderung, eine erste Ausdehnung, die täglich zunahm, zuerst nur allmählich, doch dann immer schneller. Und nun muss sie zusehen, wie der Fleck vor ihren Augen grösser wird, sich von Minute zu Minute in alle Richtungen ausdehnt, wie ein Virus.
Irritiert und neugierig kniet sie sich hin, betrachtet den Fleck aus der Nähe, mustert seine plumpe Form und die Art und Weise, wie sich seine Kanten verschieben. Sie lässt eine Fingerkuppe vorsichtig über die dunkle Oberfläche gleiten. Der Fleck färbt ab, auch ihr Finger wird dunkler, und während sie ins Badezimmer eilt und hastig versucht, ihre Haut von der Verfärbung zu befreien, frisst sich der Fleck weiter durch das Parkett, greift um sich, wie ein hungriges Wesen, unersättlich und gierig.
Weder mit Seife noch mit einer Bürste gelingt es ihr, die Haut ihres Fingers zu reinigen. Die Stelle bleibt verfärbt, wirkt nun sogar dunkler als zuvor, beinahe schwarz. Sie schaut ein wenig genauer hin, hält sich die Hand vor die Augen. Im ersten Moment glaubt sie an eine optische Täuschung, doch allzu bald muss sie einsehen, dass auch der Fleck an ihrem Finger sich verändert, dass auch er immer grösser wird. Benommen gerät sie ins Wanken, kippt ein wenig nach hinten und prallt an die Handtuchstange an der Badezimmerwand.
Erneut versucht sie, ihre Hände reinzuwaschen, treibt die Bürste immer wieder über die Haut, bis sie schmerzt. Der Fleck, nun in schwärzestem Schwarz, hat bereits die Handfläche erreicht und wuchert ungehindert weiter. Sie hört einen Schrei und realisiert erst nach einigen Sekunden, dass er ihrer eigenen Kehle entsprungen ist. Der Schrei gerinnt zu einem Gurgeln, und die junge Frau schlägt die Hände vors Gesicht, ihr ganzer Körper bebt. Schließlich löst sie die Hände wieder vom Kopf und blickt in den Spiegel. Als sie die dunkle Stelle an der Stirn bemerkt, gerät ihr Atem ins Straucheln, der ganze Raum beginnt zu vibrieren. Ein merkwürdiges Rauschen füllt ihren Kopf, und die junge Frau muss sich am Waschbecken festhalten, um nicht hinzufallen. Irgendwann knicken die Knie trotzdem ein, und die Formen und Farben vor ihren Augen vermengen und vermischen sich zu einem undefinierbaren dunklen Brei.
***
Er blickt von oben hinab auf den Bildschirm mit der Landkarte und den eigentümlichen Symbolen. Zunächst war der Fleck kaum zu erkennen, war lediglich ein dunkler Punkt, eine kleine Irritation im großen Ganzen. Aber bald bemerkte der uniformierte Mann eine Veränderung, eine erste Ausdehnung, die täglich zunahm, zuerst nur allmählich, doch dann immer schneller. Und nun muss er zusehen, wie der Fleck vor seinen Augen grösser wird, sich von Minute zu Minute in alle Richtungen ausdehnt.

Ein Virus, ein Krebs,
der Mensch ist gefährdet, hilflos,
wäscht und rubbelt,
doch der scheinbare Dreck
geht nicht weg…
Er frißt sich in alles,
was berührt
macht die Herzen zu Stein
und reinwaschen
kann sich niemand allein
denn Schuld tragen wir alle…
Huch, was ist mir denn da eingefallen.
Ich lasse es mal so stehen und schicke es ab
Liebe Grüße von Bruni
zu Dir
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Hui, schön, dass du es hier stehen lässt! Es ist mir eine Ehre! Vielen Dank dir für die wunderbaren Worte… Und herzlichste Grüsse zurück!
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Liebe Grüsse an Dich 🙂
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Hallo lieber Ralf,
und wieder mal hast Du Worte gefunden, die tief in meinem Herzen und meinem Hirn auf Resonanz stoßen… ganz genau so stelle ich mir das vor, wenn wir mit unserem Globus eines Tages zu nahe an einem schwarzen Loch vorbeikommen und alles druchneiäanrderget und die Zeit sträwkcür läuft und die Konturen vers hwi m n u n d ….
Na ja, vielleicht ist es ja noch nicht ganz so weit.
Hoffnungsvolle liebe Grüße
von Ryka
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Ja, vielleicht ist es tatsächlich noch nicht ganz so weit, vielleicht schaffen es sogar die Kinder noch heil durchs Leben, und vielleicht wird am Ende alles gar nicht so schlimm gewesen sein. Wir werden sehen. Oder auch nicht. Hier und heute jedenfalls lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte. Und herzliche Grüsse zurück!
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Hallo Ralf,
der Text ist intensiv und gefällt mir. Allerdings hab ich ihn (noch?) nicht verstanden. Aber ich denke darüber nach.
Vielen herzlichen Dank fürs Schreiben und Teilen 🙂
Darius
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Naja, wenn er intensiv wirkt, hast du vielleicht sowieso schon ein gutes Stück verstanden, und womöglich ist das Verstehen auch nicht immer entscheidend. In jedem Fall herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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Huu, gruselig.
Ein wahrer Science-Fiction. 😁
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Trotz Grusel vielen lieben Dank dir fürs Lesen!
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