Hugo liest Wolfgang Borchert. Das Känguruh, heißt die Geschichte, und in dieser Geschichte sagt einer ein Gedicht auf. Es war einmal ein Känguruh, das nähte sich den Beutel zu, mit einer Nagelfeile, aus lauter Langeweile. Die Geschichte handelt eigentlich von anderen Dingen, schlimmen Dingen, doch Hugo staunt vor allem über das Wort Känguruh. Früher war da noch ein h am Ende. Jetzt heißt das Tier nur noch Känguru, ohne das h am Ende, und auch wenn Hugo nicht glaubt, dass früher alles besser war, findet er das Känguruh schöner als das Känguru, obwohl beide Begriffe für das gleiche Tier stehen. Hugo hat sich durchaus damit abgefunden, dass man nun Känguru schreiben soll und nicht Känguruh, doch jetzt, nachdem er Das Känguruh von Wolfgang Borchert gelesen hat, fragt er sich zum ersten Mal, warum man dem Känguruh das h am Ende überhaupt geraubt hat, zum ersten Mal macht er sich Gedanken darüber, obwohl er es schon lange weiß, und dass er es bisher einfach akzeptiert und nicht hinterfragt hat, irritiert ihn ein wenig.
Vielleicht sind die Franzosen schuld, überlegt Hugo. Die lassen das h auch sehr häufig weg. Sie schreiben Homme, sagen aber Omm. Sie schreiben Hôtel, sagen aber Otel. Auch seinen Namen würden sie beschneiden. Wäre Hugo mit einer Französin verheiratet und würde in Frankreich leben, wäre er Ügo. Das u würde zum ü werden, und das H würde einfach wegfallen; wer seinen Namen in den Mund nähme, würde das H unerwähnt hinunterschlucken. Ügo, sagt Hugo laut und ist ziemlich froh, dass er nicht mit einer Französin verheiratet ist und in Frankreich lebt. Obwohl, Hugo mag Französinnen. Er findet sie schön und anmutig, zumindest dann, wenn sie so aussehen, wie er sich Französinnen in seinem Kopf vorstellt, aber vielleicht sehen Französinnen gar nicht so aus, wie er sie sich in seinem Kopf vorstellt, er kennt eigentlich gar keine Französinnen, nur eine, die kannte er mal, sie arbeitete ein Zeit lang im gleichen Büro wie er. Sie hieß Monique und sah ein wenig aus wie ein dicker kleiner Bauernjunge, also gar nicht so, wie die Französinnen in seinem Kopf aussehen, und er befürchtet, dass sehr vieles in der Welt nicht gleich aussieht wie in seinem Kopf.
Im Französischen hatte das Känguru wohl noch nie ein h am Ende, das verlorene h des Beuteltieres ist eine ausschließlich deutschsprachige Angelegenheit, da ist Hugo ziemlich sicher. Er sieht sich um, nach links und rechts und oben, dann schaut er auf seine Schuhe und hält verwundert inne. Beim Schuh ist das h am Ende ja auch noch da, und Hugo fragt sich, warum man dem Känguruh das h weggenommen hat und dem Schuh nicht, auch wenn er froh ist, dass der Schuh das h noch behalten durfte, denn Schu sieht sehr seltsam aus, aber eben, Känguru sieht in Hugos Augen auch seltsam aus. Natürlich ist das alles gar nicht wirklich von Belang. Das verlorene h, es ist ziemlich unwichtig, aber grundsätzlich ist es ihm lieber, sich über unwichtige Dinge Gedanken zu machen als sich über unwichtige Dinge keine Gedanken zu machen, und irgendwie findet er es schön, dass im Buch von Wolfgang Borchert noch Känguruh steht.

Ich hätte ja mit einer sprunghafteren Geschichte gerechnet. 😉
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Ist eben ein eher ruhiges Känguru(h)… 😉
Herzlichen Dank dir fürs Lesen!
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Immer wieder gern. 🙂
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