Sara beobachtet den Käfer auf dem Fenstersims. Er geht einige Schritte und bleibt dann stehen, tastet mit seinen Fühlern um sich. Dann geht er weiter, bleibt wieder stehen, geht weiter, bleibt stehen, seine Bewegungen wirken wie ein Tanz, ungelenk zwar, aber dennoch mit einer gewissen Eleganz. Sara schließt den Fensterladen. Es ist heiß draußen, ein weiterer Hitzetag, und selbst mit geschlossenem Laden ist es in ihrer Wohnung nur schwer erträglich. Sie legt sich auf das Bett und denkt sich weg.
***
«Der Gescheckte Nagekäfer klopft, wenn er Sex will», sagt Elena.
Sara wartet einige Sekunden, dann gibt sie ein verwundertes «Was?» zurück.
Elena lacht ihr helles Lachen, das so klingt wie das Kichern eines kleinen Mädchens.
«Der Gescheckte Nagekäfer», wiederholt sie, «klopft auf Holz, wenn er Sex will.»
«Ach so. Und warum tut er das?» will Sara wissen.
«Er will halt das Herz eines Weibchens für sich gewinnen. Darum schlägt er seinen Kopf gegen das Holz, mehrere Male hintereinander.»
«Merkwürdiger Käfer», findet Sara.
«Ist doch romantisch, oder? Ich mag den Gescheckten Nagekäfer. Er ist ein Gentleman. Er klopft an, wenn er Sex will.»
«Er ist auch ein bisschen dumm.»
«Warum ist er dumm?», fragt Elena.
«Naja, er schlägt immer wieder den Kopf gegen die Wand, um Sex zu haben. Und wenn das Weibchen dann gerade paarungsbereit ist, hat er Kopfschmerzen und mag nicht mehr.»
«Ach du.»
Sara betrachtet Elena, die nackt neben ihr liegt. Sie lässt ihren Blick über die kleine Narbe am Kinn wandern, dann dem schmalen Hals entlang nach unten. Als der Blick bei den Brüsten ankommt, bewegt Sara ihre Hand ebenfalls dorthin. Mit ihrem Daumen streichelt sie Elenas Brustwarze, registriert, wie sich ihr Körper leicht bewegt. Dann gehen ihre Finger weiter, bleiben stehen, gehen weiter, bleiben stehen, wie die Beine eines tanzenden Käfers. Mit der freien Hand klopft Sara an den Holzrahmen des Bettes.
«Bist du ein Gescheckter Nagekäfer?» fragt Elena.
Anstelle einer Antwort lässt Sara ihre Lippen über Elena Bauch gleiten, hinab zum Schoss.
«Es ist zu heiß für diese Scheiße», brummt Elena lachend.
Sara hört auf.
«Hör nicht auf», flüstert Elena.
Später liegen sie nebeneinander, warm und müde. Sara füllt den Raum mit unzähligen Wörtern, spricht über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, schweift immer wieder ab. Sonst redet sie gar nicht sonderlich viel, bildet ihre Sätze mit Bedacht, doch hier und jetzt neben Elena glaubt sie, dass sie möglichst viel erzählen muss, jeden Gedanken und jedes Gefühl in Worte fassen muss. Womöglich hofft sie, dass sie dadurch näher an die Realität rücken.
«Sara», hört sie Elena sagen. «Mach mal Pause.»
«Ja», erwidert Sara, und dann schweigt sie. Sara glaubt, Elenas Herzschlag zu hören, aber wahrscheinlich ist es ihr eigener Puls, der in ihren Ohren pocht. Die Stille ist schön, das Schweigen, es legt sich wie eine weiche Decke über sie. Irgendwann möchte sie Elena eine Frage stellen, doch bevor Sara etwas sagen kann, ist draußen vor dem Fenster ein lautes Kreischen von Reifen zu hören. Dann ertönt ein heftiger Knall, gefolgt von einem kurzen Scheppern. Erschrocken reißt Sara die Augen auf und schaut zum Fenster. Nach einigen Sekunden wendet sie ihren Kopf, ihr Blick sucht den nackten Körper von Elena, doch er findet nur eine kahle Fläche neben ihr auf dem Bett.
***
Sara steht auf, geht zum Fenster, öffnet den Laden wieder. Draußen stehen zwei Autos ein wenig unpassend auf der Straße. Bei einem der beiden Fahrzeuge ist die Frontpartie eingedrückt, die Motorhaube bildet einen merkwürdigen Knick. Beim anderen Auto sind kaum Spuren zu sehen. Die beiden Fahrer unterhalten sich angeregt, einer hebt beschwichtigend die Hände. Sara blickt auf das Fenstersims, sucht es ab, wartet auf eine Bewegung. Aber es passiert nichts. Der Käfer ist verschwunden.

Schmunzel … was für eine wundervolle Käfersexgeschichte 😊
Herzliche Grüße vom Finbar
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Vielen Dank dir, lieber Finbar, freut mich, dass dich der klopfende Käfer zum Schmunzeln gebracht hat… Herzliche Grüsse zurück!
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