Er ist überzeugt, dass ein überzeugendes Auftreten wichtig ist, dass man mehr erreicht, wenn man in beeindruckender Weise Eindruck hinterlässt, er glaubt, dass man den Schein wahren muss, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, ganz nach oben zu gelangen, doch eines Tages geht er eine Treppe hinauf und ist in Gedanken bereits dort, wo er hin will, in höchsten Höhen, und weil er darum die übliche Achtsamkeit und Vorsicht vermissen lässt, gebärdet er sich ungewohnt hastig und ungeschickt, und prompt bleibt er mit der Schuhspitze an einer Kante hängen und kippt vornüber, stößt sich dabei das Schienbein, und weil er sich abstützen muss, tun auch die Hände weh, doch die Schmerzen, sie sind nicht schlimm, sind nicht der Rede wert; viel wichtiger ist es, dass er bei seinem Missgeschick nicht beobachtet wurde, und nach dem ersten Schrecken blickt er sich angstvoll um, sucht nach sensationslüsternen Augenpaaren, die ihn gesehen haben könnten, doch da ist niemand in seinem Blickfeld, er ist ganz allein, und erst in diesem Moment lässt er den physischen Schmerz zu, gestattet ihm den Raum zur Entfaltung, die Wellen fließen durch seinen Körper, und er lässt seine Gesichtszüge entgleisen und außer Form geraten, während er in seinem Innern, ganz tief innen, eine wütende Tirade an sich selbst richtet, seine eigene Tollpatschigkeit verflucht, du verdammter Trottel, brüllt seine innere Stimme, wie blöd muss man denn sein, pass doch auf, um Himmel willen, doch bald darauf lässt er das stumme Gezeter wieder bleiben und ist einfach und unvermindert froh, dass der schlimmste Fall in diesem Fall nicht eingetreten ist, man hat ihn nicht gesehen bei seinem Missgeschick, und so ist es, als wäre das Geschehene gar nie geschehen, denn sich selbst kann er problemlos zur Einsicht bringen, dass da nichts war, nicht einmal ein Stolpern, nur Eleganz und Grazie, wie immer, und das ist entscheidend, findet er, ein überzeugendes Auftreten ist wichtig, davon ist er überzeugt, und Überzeugungen zeugen von Entschlossenheit, von Zielstrebigkeit, und während er sein Ziel wieder ins Auge fasst, weiter nach oben strebt und die Treppenstufen hinaufsteigt, spürt er, wie der Schmerz an seinem Schienbein zu pulsieren beginnt, immer heftiger, jeder Schritt tut weh, jedem Auftreten folgt ein entsetzliches Stechen, und einen kurzen Augenblick lang überlegt er, ob sich die Strapazen wirklich lohnen, ob die Qual tatsächlich die richtige Wahl ist, er hält inne und sieht sich um, blickt nach hinten und nach vorne, nach oben und nach unten, doch umkehren mag er nicht und stehenbleiben will er nicht, also geht er weiter, beißt seine Zähne zusammen und hofft, dass niemand bemerkt, wie schwer ihm die Leichtigkeit fällt.

Nicht auszudenken, dieses Trauma: jemand hätte ihn stolpern sehen, ihm die Hand gereicht, ihn am Ende noch vor einem Fall und Schmerz bewahrt…
Welche Peinlichkeit…
Dann vielleicht noch eine hübsche Frau vielleicht?
Welch süße Qual…
Sehr gut beobachtet finde ich wieder Deine Charakter-Studie.
Und der Song beim Kommi an Finbar- yes, den Refrain druck ich mir aus und Rahm ihn ein….und wie liebenswert kann manche Macke sein…
Liebe Grüße,
Amélie
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Oh ja, welch süsse Qual wäre es gewesen, hätte ihn jemand gestützt, unterstützt in einem Augenblick der vermeintlichen Schwäche…
Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, und schön, dass dir der Song gefällt! Herzliche Grüsse zurück…
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Das Leichte, das Schwerfälliges überspielen soll…
Es macht so müde und unaufmerksam, wenn man es zu lange durchhalten will…
Du hast es gut beschrieben
Liebe Grüße von Bruni
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Ja, es macht wohl müde und unaufmerksam; manche Leute beweisen aber dennoch viel Durchhaltevermögen…
Vielen Dank dir, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine Worte. Und herzliche Grüsse zurück…
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Es ist schlimm, dass wir in einer solchen Gesellschaft leben, einer Gesellschaft, in der jeder kleine Fehltritt bemäkelt, ja zum Makel wird …
Fein geschrieben lieber Disputnik!
Liebe Morgengrüße vom Lu
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Ohja, der Perfektionismus ist ein Unding…
Hier gleich die Musik dazu:
Vielen herzlichen Dank dir für Lesen und für deine Worte, lieber Finbar, und herzlichste Grüsse zurück!
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Danke für den feinen song *freu*
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